24 mars 2013

Mare Kandre und der moderne Frauenroman Schwedens

Mare Kandre wurde am 27. Mai 1962 als Tochter eines Ingenieurs und der Biologin Tiuu Hansson, die während des Zweiten Weltkriegs von Estland nach Schweden geflohen war, in Söderala im Hälsingland zur Welt und starb am 24. März 2005 durch einen Unfall, dessen Ursachen nie ganz aufgeklärt werden konnten.

Auch wenn Mare Kandre in Söderala geboren war, so verbrachte sie ihre Kindheit überwiegend in Göteborg und einige Jahre auch in Kanada. Sehr früh begann die spätere Schriftstellerin zu malen und mit 12 begann sie die ersten Texte zu schreiben und hatte den Willen später auch veröffentlicht zu werden. In den Jahren 1979 und 1980 studierte Kandre an der Byamshow School of Art in Londen Kunst und bis 1984 spielte und sang sie in drei Postpunkbands für die sie auch die Texte schrieb.


Der Wendepunkt kam für Mare Kandre im Jahre 1984, als sie gerade einmal 22 Jahre alt war und ihr erster teilweise autobiografischer Roman I ett annat land erschien, der dazu führte, dass sie von Kritikern als die größte Entdeckung des Jahrzehnts bezeichnet wurde. Im Roman I ett annat land beschreibt die Schriftstellerin die Reise mit ihren Eltern durch die USA. Kritiker und Leser sind dabei nicht nur von der Kraft beeindruckt mit der Kandre ihre Gefühle und ihre Nähe zur Natur ausdrücken kann, sondern vor allem durch die Ausdrucksfähigkeit der Schriftstellerin und ihr enormes Sprachgefühl.

Mit Bebådelsen, einem Buch mit Prosagedichten aus dem Jahre 1986, und den Romanen Bubins unge (1987) und Aliide, Aliide aus dem Jahre 1991 bestätigt Mare Kandre ihre Fähigkeiten als Schriftstellerin, bleibt aber noch beim Thema Kind, das seine Kindheit langsam ablegt und durch das Umsteigen in eine neue Welt die kindlich positiven Gefühle verliert um sich für eine neue Zukunft zu öffnen, die mit Angst, Phobien, Schamgefühlen und allen Problemen der Pubertät verbunden sind. Manche Kritiker bezeichnen Kandre in diesen Jahren als die Erbin von Birgitta Trotzig, andere vergleichen sie mit Franz Kafka und Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

Ab dem Buch Deliria im Jahre 1992 geht Mare Kandre in eine neue Schaffensphase über, die in Form von ironischen Parodien, realistischen Schilderungen und auch der Einbettung von Religion und Mythologie das Patriarchat kritisiert und zeitkritisch auf die Männerwelt hinweist, die sich während der gesamten Geschichte immer wieder dadurch selbst bestätigen muss indem die Frau nur eine Nebenrolle im Leben spielen darf.

Besonders deutlich drückt sich dies in den beiden Büchern Djävulen och Gud aus dem Jahre 1993 und Quinnan och Dr Dreuf aus, das nur ein Jahr später erscheint. Mare Kandre schreibt nun ironische Märchen für Erwachsene, die einen tiefen Einblick in die menschliche Seele bieten und eine nahezu utopische Männerwelt beschreibt, in der sich eine überhebliche Männerwelt als Symbol des Frauenhasses herausstellt. Aber Kandre klagt die Männer in ihren Büchern nicht an, da diese ja mit gutem Gewissen handeln, sonder sie greift zur Ironie, der Parodie und dem Wortspiel, das den Männern lediglich zu denken geben soll.

Mit ihren letzten beiden Büchern Hetta och vitt (2001) und Xavier (2002) geht Mara Kandre zu einen neuen Realismus über und geht von den Frauenthemen zum Thema Isolation und Ausgesetztheit über. Die Schriftstellerin nimmt das Leben in der aktuellen Welt als Ausgangspunkt dafür, dass die handelnden Personen eine neue Welt mit einer anderen Wirklichkeit suchen. Auch wenn sie in ihren Erzählungen nun von Extrempunkten ausgeht, so zeigt sie den Weg der Gegenwartsgeschichte, der nur im Chaos enden kann falls die Menschen nicht zu den ursprünglichen Werten des Lebens zurückkehren. Im Gegensatz zu den Büchern Brave New World oder 1984 greift Kandre jedoch nicht zu Science Fiction, sondern sie nimmt die Gegenwart als Ausgangspunkt, die die Gefühle und Träume der Menschen tötet.

Als Mare Kandre 2005 bei einem Autounfall stirbt, hat sie ein neues Buch begonnen über das sie jedoch mit niemandem gesprochen hat und das auch nicht in unvollendeter Form veröffentlicht werden sollte. Der Unfall der Schriftstellerin kommt für alle überraschend, da Kandre nicht depressiv war, sondern die Tage vorher eher sehr positiv gestimmt war. Als Todesursache wird ein zu hoher Konsum von Medikamenten festgestellt, aber niemand weiß ob es sich dabei um ein Unglück oder einen Selbstmord handelte.

Johan von Sydow des staatlichen Fernsehens SVT drehte 2008 eine Dokumentation über Mare Kandre, die am 1. Mai 2009 bei SVT2 ausgestrahlt wurde. Die Schriftstellerin erhielt für ihre Werke mehre bedeutende Preise, darunter den Doblougskapriset der Svenska Akademien und sie erhielt 1999 das Kallebergerstipendium, das ebenfalls die Svenska Akademien vergibt.

Mare Kandre, die bei ihrem Tod einen elfjährigen Sohn zurückließ, wurde sehr früh als eine Ikone des schwedischen Feminismus betrachtet, obwohl sie selbst mit ihren Büchern auch Männer ansprechen wollte, aber bis zu ihrem Tode waren die Männer eine geringe Minderheit unter den Lesern.

Copyright: Herbert Kårlin

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