28 februari 2013

Lotta Lotass und die poetische Prosa des Surrealismus

Lotta Lotass, geborene Hellberg, wurde am 28. Februar 1964 in Borgsheden in Dalarna geboren und lebt seit 1991 in Göteborg. Lotass, eine Anhängerin des Veganismus und der Antialkoholbewegung, gehört zu den modernen schwedischen Autoren, die man trotz ihrer Offenheit nicht vollständig greifen kann, die die Menge scheut und daher nur selten in ihrer Eigenschaft als Schriftstellerin an die Öffentlichkeit tritt.

Ihre Kindheit verbrachte Lotta Lotass in Mockfjärd. Ihr Vater arbeitete in der Fabrik, die Mutter im Altersheim, wobei die Tochter die meiste Zeit bei ihrer Großeltern mütterlicherseits verbrachte, wo sie vermutlich bereits ihre Neigung zum Abstrakten und zur Technik gewann, denn der Großvater war ein ländlicher Erfinder und ein Einzelgänger wie die Autorin selbst. Mit 16 verließ Lotass das kleine Dorf und zog nach Borlänge, wo sie nach verschiedenen Gelegenheitsarbeiten bei Komvux im Jahre 1990 ihre Hochschulreife nachholte.


Im Jahre 1991 verließ Lotta Lotass Borlänge und begann an Universität Göteborg Philosophie und Literaturwissenschaft zu studieren. Im Jahre 2002, zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres ersten Romanes, schrieb sie in Göteborg unter dem Titel Friheten meddead - Studier i Stig Dagermans författarskap ihre Doktorarbeit über Stig Dagerman. Bereits 2009 wurde die Schriftstellerin als jüngstes Mitglied in die Svenska Akademien gewählt, wo sie auf dem Stuhl Nummer 1 nach Sten Rudholm Platz nahm.

Ihr literarisches Debüt machte Lotta Lotass mit dem ersten Band einer Trilogie, die dem Leser die Person Lotass in ihrer Heimatregion näher bringt, da der erste Band Dalarna als Hintergrund hat und man in den handelnden Personen sehr viele Züge von wirklichen Personen entdecken kann, die die Denkweise und die Ideen von Lotass prägten.

Wer das erste Buch von Lotta Lotass, Kallkällan, in die Hände nimmt und einige Sätze daraus liest, entdeckt unmittelbar, dass es sich dabei nicht um ein Buch wie viele andere handelt, denn selbstverständlich beherrscht die Schriftstellerin Stilistik und Wortwahl, aber der Unterschied ist, dass Lotass Prosa in Versform schreibt und einen Roman zu einem Gedicht macht ohne ihm die Spannung und den logischen Handlungsablauf zu nehmen. Lotass lässt den Leser von einer realistischen und greifbaren Welt, die sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig abspielt, in eine surrealistische Welt gleiten in der die Grenzen zwischen Leben und Tod verschwinden, lässt ihn aber dennoch ohne Probleme in ihre literarische Welt eindringen.

In ihren Büchern, Dramas und Hörspielen geht Lotta Lotass oft bis an die Grenze des literarisch Möglichen und fordert daher die Aufmerksamkeit des Lesers, denn Lotass bietet keine Rezepte, sondern verlangt, dass der Leser selbst die Lösung findet, die zudem von Leser zu Leser sehr unterschiedlich sein kann. Diese Art des Schaffens unterscheidet Lotass von den anderen Gegenwartsautoren, die Angst davor haben ihre eigene Grenze zu überschreiten oder persönliche Erfahrungen in Frage zu stellen.

Mit jedem Buch, das Lotta Lotass veröffentlicht, überrascht die Autorin seine Leser erneut, denn auch wenn sie ihre Themen teilweise aus scheinbar bekannten Themen der Technik oder, wie bei ihrem bisher jüngsten Roman Konungarnas tillbedjan, aus der Bibel holt, so entwickelt sich daraus ein surrealistisches Meisterwerk, das völlig andere Bahnen nimmt als man auf Grund des Titels annimmt. In Konungarnas tillbedjan greift Lotass die Ankunft der drei Weisen aus dem Morgenland in Bethlehem auf, aber sie gibt nicht, wie die Religion, eine klare Antwort, sondern las vor der Redaktion ihres Werkes das Matthäusevangelium so wie es aufgezeichnet wurde, was dazu führt, dass nicht Erklärungen geboten werden, sondern Fragen auftauchen die es ermöglichen die Bibel mit neuen und kritischen Augen zu lesen ohne sich jedoch vom Glauben abwenden zu müssen.

Obwohl Lotta Lotass eine der bedeutendsten modernen Autoren Schwedens ist, der schon heute ein Platz in der Literaturgeschichte Schwedens garantiert ist, so ist die Autorin mit ihren Büchern in anderen Ländern kaum bekannt. Die Ursache kann man darin suchen, dass Lotass die schwedische Sprache und die Prosalyrik meistert und dabei mit den Worten aus unterschiedlichen Epochen und selbst Regionen spielt, was die beste Übersetzung zur Arbeit eines Stümpers werden lässt, denn Lotass schreibt keine Romane mit den Worte einer Sprache, sondern sie malt lyrische Bilder in Prosaform, die selbst schwedische Leser nicht immer fassen können. Wer daher die Leistung von Lotass wirklich erfassen will, ist gezwungen ihre Werke in schwedischer Sprache zu lesen und diese sehr gut zu beherrschen.

Copyright: Herbert Kårlin

27 februari 2013

Frans Michael Franzén, vom modernen Dichter zum Bischof

Frans Michael Franzén wurde am 9. Februar 1772 als Sohn des Kaufmanns Zachris Frantzén und dessen Frau Helena Michaelsdotter Schulin in Uleåborg, im heutigen Finnland, geboren und starb am 14. August 1847 in Säbrå bei Härnösand. Franzén war in erster Ehe mit Margareta Elisabet (Lilly) Roos verheiratet, in zweiter Ehe mit Sophia Christina Wester und in dritter Ehe mit Christina Elisabeth Arvedsson, wobei er sich jeweils nach dem Tod seiner Frauen neu verheiratete.

Seine kurze Kindheit verbrachte Frans Michael Franzén in Uleåborg, wo er auch die Grundschule besuchte. Bereits mit 13 Jahren wurde Franzén jedoch Student an der Königlichen Akademie in Åbo (Turku). Auch wenn der Vater wünschte, dass der Junge ebenfalls die kaufmännische Laufbahn einschlägt, so entschied sich Franzén für ein Philosophiestudium unter Henrik Gabriel Porthan, unter dem er 1789 promovierte. Ein Jahr später ging Franzén an die Universität Uppsala um sich dort mit Immanuel Kant und Daniel Boëthius auseinanderzusetzen. Zurück in Åbo disputierte der Philosoph 1791 dann mit dem Werk Om språkets ursprung, was dazu führte, dass er bereits im folgenden Jahr Dozent für Rhetorik wurde.


Gemälde von J. G: Sandberg, 1823
Schwedisches reichsarchiv

Das älteste erhaltene Gedicht von Frans Michael Franzén mit dem Titel Aftonen schrieb der Poet mit 14 Jahren. Auch wenn dieses Werk noch stark von der französischen Literatur der Zeit beeinflusst ist und Franzén noch die Erfahrungen des Lebens fehlen, so zeigt bereits dieses erste Gedicht seine stilistische Reife und Sicherheit, die kaum zu übertreffen ist. Während seines Studiums wendet sich der Schriftsteller dann von der französischen Literatur ab und immer mehr der germanischen Dichtung zu um schließlich die deutsche Poesie zu entdecken, die seine Hauptwerke maßgeblich beeinflussen.

Eine sehr große Bedeutung hatte für das Schaffen von Frans Michael Franzén hat auch sein erster Aufenthalt in Stockholm im Jahre 1793, denn dank eines Empfehlungsschreibens seines Professors, kam er in Kontakt mit Johan Henric Kellgren, Abraham Niclas Edelcrantz und Nils von Rosenstein, der sich vor allem für seine Rede über König Gustav III. interessierte.

Das Treffen mit Kellgren, dem Frans Michael Franzén einige seiner Gedichte zu lesen gab, öffnete dem Skalden auch die Welt der Literatur, da Kellgren dafür sorgte, dass einige der Werke von Franzén in der Stockholms-Posten veröffentlicht wurden und damit den jungen Skalden als eine der größten literarischen Hoffnungen bekannt machten. Die Gedichte, die in der Stockholms-Posten gedruckt wurden, zeigen bereits die erste Wandlung des Dichters, der hier zum freien Vers greift und sich dem vorromantischen modernen Strom anschließt bei dem Gefühl, Schönheit und der Idealismus im Zentrum stehen. Franzén zeigt bei diesen Werken jedoch auch, dass er nicht die deutsche Dichtung kopiert, sondern lediglich die Ideen übernimmt und der schwedischen Gesellschaft anpasst.

Als Frans Michael Franzén 1794 nach Åbo zurückkehrt, wird er Redakteur bei den Zeitschriften der Gesellschaft Aurora, den Vorläufern der Åbo tidningar, deren Herausgeber Henrik Gabriel Porthan war, sein Universitätsprofessor. Ab 1795 wurde der Skalde dann Erzieher von Carl Fredrik Bremer, dem Vater der Schriftstellerin Fredrika Bremer, mit dem er zahlreiche Reisen durch Europa machte. Als Franzén wieder nach Schweden kommt, schreibt er sein bekanntestes Gedicht Sång öfver grefve Gustaf Philip Creutz für das er 1797 mit dem Großen Preis der Svenska Akademien ausgezeichnet wurde. Allerdings hatte dieser Preis eine Kehrseite, denn die Akademie forderte vom Dichter einige Änderungen, damit das Werk dem Geist der Akademie näher kommt. Diese Forderung muss bei Franzén eine gewisse Krise ausgelöst haben, denn nach diesem Gedicht verstummt er für längere Zeit.

In den Folgejahren widmete sich Frans Michael Franzén dann vor allem seiner wissenschaftlichen Karriere und 1801 wurde er Professor für Moralphilosophie. In dieser Zeit, in der verschiedene Gedichte des Dichters, jedoch ohne klare Linie, erscheinen, ändert sich seine Gedankenwelt, denn Franzén gewinnt die Einsicht, dass Philosophie nur  aus der Lehre Gottes entstanden ist. In diesem Gedanken lässt sich Franzén dann bereits 1803 zum Priester weihen um Gott näher zu kommen.

Als der Finnische Krieg ausbricht, muss sich Frans Michael Franzén entschieden, ob er in Finnland bleiben will oder nach Schweden geht. Der Schriftsteller wählt Schweden und wird 1811 Priester in Kumla, wird 1824 nach Stockholm versetzt und einige Jahre später Bischof in Härnösand, wo er nicht nur für das geistige Wohl des nahezu gesamten Norrlandes verantwortlich war, sondern auch über die Ausbildung in allen Schulen entschied.

Mit dieser geistigen Änderung von Frans Michael Franzén ändert sich auch seine literarische Arbeit, denn ab 1810 entstehen unter seiner Feder zahlreiche Psalmen von denen 13 noch im jüngsten Psalmbuch von 1986 enthalten sind und neben seinen Skaldestycken in sieben Bänden, die zwischen 1824 und 1861 erschienen, veröffentlicht er fünf Bände an Predigten, die er für besonders bedeutend hält und er veröffentlicht seine dreibändigen Memoiren.

Während man Frans Michael Franzén bis zu den 20er Jahren als einen der bedeutendsten Dichter seiner Zeit beschreiben kann, zeigt er sich danach immer konservativer und seine Werke verlieren an Stärke, was selbst dazu führt, dass Franzén von Esaias Tegnér als einfältig kritisiert wird. Der Dichter lebte jedoch weiter in seiner Vergangenheit und verschloss sich jeder Kritik, zumal er in Finnland immer noch als Nationalheld gesehen wurde.

Frans Michael Franzén wurde am 5. Mai 1808 in die Svenska Akademien gewählt, wo er nach Gustaf Fredrik Gyllenborg den Stuhl Nummer 13 einnahm.

Copyright: Herbert Kårlin

26 februari 2013

Gustaf Hellström und das gesellschaftliche Leben in Kristianstad

Gustaf Hellström wurde am 28. August 1882 als Sohn des Unteroffiziers Erik August Hellström und dessen Frau Johanna Jönsson in Kristianstad geboren und starb am 27. Februar 1953 in Stockholm. Hellström war in erster Ehe mit der Modezeichnerin Louise Shoemaker verheiratet, in zweiter Ehe mit Carin Wærn Frisell und in dritter Ehe mit Tanja Esther Birgit Helén.

An seine Kindheit erinnerte sich Gustaf Hellström ungern, da sein Vater ein Mann mit klaren Prinzipien war und selbst für jene Zeit als sehr streng galt. Zudem wuchs der Schriftsteller in einem streng eingegrenzten Milieu auf bei dem er nur auf der Schwelle zur bürgerlichen Gesellschaft stand, auch wenn die Familie in Kristianstad sehr geachtet war. Hellström legte die Hochschulreife im Jahre 1900 im Söderportsgymnasium in Kristianstad ab und besuchte anschließend die Universität Lund, die er 1903 mit dem niedrigsten Examen in Literaturgeschichte, Philosophie und Staatswissenschaft verließ.


Die Neigung zur Literatur kann man bei Gustaf Hellström bis ins Gymnasium zurückverfolgen, wo er bei der Zeitschrift Adieneum mit Gedichten seine ersten Versuche als Autor unternahm. In Lund machte Hellström dann die Bekanntschaft von Bengt Lidforss, der ihn sowohl mit seinen politischen linken Einstellungen und seinem Leben als Bohemien beeindruckte.

Als Gustaf Hellström nach seinem Studium nach Stockholm geht um dort seine Lizentiatsarbeit über Clas Livijn zu schreiben, so blieb diese Arbeit bald auf der Strecke, da sich Hellström dazu entschied Schriftsteller zu werden. Bereits 1904 erschien sein autobiografischer Roman Ungkarlar, dem noch zwei weitere Romane in kurzer Zeit folgen sollten. Parallel dazu gelang es ihm auch einige literarische Werke in den Zeitungen Svenska Dagbladet, Dagens Nyheter und Söndags-Nisse unterzubringen, ohne jedoch mit diesen Arbeiten den Durchbruch zu schaffen.

Bevor jedoch Gustaf Hellström in Stockholm unterging, bekam er von Dagens Nyheter das Angebot als Korrespondent in London zu arbeiten. Ab 1907 nahm bei Hellström daher die Arbeit als Journalist die Oberhand und es sollte bis zu den 20er Jahren dauern bis Hellström dann seinen Schwerpunkt wieder auf das literarische Schaffen legte. Nach London folgte ein Aufenthalt in Paris mit zahlreichen erotischen Abenteuern, dem während des Ersten Weltkriegs ein Aufenthalt in den USA und die erste Ehe mit einer Amerikanerin folgte, einer Ehe, die gerade einmal zehn Jahre lang hielt.

Die wenigen Bücher, die Gustaf Hellström zwischen 1907 und 1920 veröffentlichte konnten kein größeres Publikum anziehen und zählen, trotz der zeitnahen Themen, nicht zu den ausgereiftesten Büchern des Schriftstellers und werdet von seinen Reportagen für die Dagens Nyheter überschattet, die den Autor international bekannt machen.

Zurück in Schweden ändert sich diese Situation für Gustaf Hellström nahezu schlagartig, denn seine autobiographische Romansuite über Stellan Petreus überzeugt die Leser und die Kritiker vom ersten Band an, nicht zuletzt auch deshalb, weil Hellström schon im ersten Band Dagdrömmar im Jahre 1921 das Leben und die Gesellschaft Kristianstads mit großem Können schildert. Die Serie dieser Romane endet erst im Jahre 1952 mit I morgon är en skälm, dem Roman, der die Zeit des Autors in den USA und den Besuch in der Sowjetunion mit zum Thema hat.

Der wirkliche Durchbruch für Gustaf Hellström kam im Jahre 1927 mit Snörmakare Lekholm får en idé. Dieses Buch macht Hellström nahezu über Nacht zum bekanntesten Schriftsteller Schwedens dieser Epoche, denn er trifft damit den Traum der Mehrheit der Schweden, nämlich das Problem des gesellschaftlichen Aufstiegs durch Bildung, die Geschichte eines Arbeiters, der seinen Kindern den Weg zur Hochschule ermöglicht, in der Hoffnung, dass sie damit auch den Einstieg in die bürgerliche Gesellschaft erreichen können.

Obwohl Gustaf Hellström immer zur Gruppe der Tiotalister Schwedens gezählt wird, zu denen man vor allem Elin Wägner, Sigfrid Siwertz und Hjalmar Bergman zählt, so ging Hellström seine eigenen Wege, die sich durch seine langen Aufenthalte in anderen Ländern und einer Art Hassliebe zu Kristianstad ausdrücken. Von seinen Ideen und der Art seiner Erzählkunst kommt er vermutlich Bergman noch am nächsten.

Trotz seiner enormen Erfolge als Schriftsteller während der 20er und der 30er Jahre, gehört Gustaf Hellström heute zu den nahezu vergessenen Schriftstellern Schwedens. Dies ist um so erstaunlicher, da dem Autor noch heute eine bedeutender Platz in der Literaturgeschichte Schwedens gewidmet wird, er über 30 Bücher veröffentlichte und Hellström 1942 in die Svenska Akademien gewählt wurde, wo er Gunnar Mascoll Silfverstolpe auf Stuhl Nummer 18 folgte.

Gustaf Hellström, der offiziell zu den Klassikern der schwedischen Literatur gehört, gehört zu jenen Autoren Schwedens, die die Anfangszeit Hitlers aus nächster Nähe erlebt haben und 1933 eine Reportage in Berlin machten, die bereits die Gefahren durch Hitler andeuteten und aus Hellström einen absoluten Gegner des Nazismus machten. Im Jahre 1945 wurde Hellström die Ehrendoktorwürde der Universität Uppsala verliehen.

Copyright: Herbert Kårlin

25 februari 2013

Ludvig Nordström und das Paradies in Nordschweden

Ludvig Nordström, allgemein als Lubbe Nordström bekannt, wurde am 25. Februar 1882 als Sohn des Bankkaufmanns Oscar Anshelm Nordström und dessen Frau Mary Sarah Parfitt in Härnösand geboren und starb am 15. April 1942 in Stockholm. Nordström war in erster Ehe mit Freiherrin und Schriftstellerin Marika Stiernstedt (Maria Alexandra Sofia Stiernstedt) verheiratet und in zweiter Ehe mit Gunborg Eugenia Viktoria Molin.

Die Kindheit verbrachte Ludvig Nordström in Härnösand, wobei seine Mutter 1880 als Gouvernante aus England gekommen war und als extrem pedantisch bezeichnet wird. Auch wenn die Familie zu den einflussreichsten in Härnosand gehörte, so kann man den Schriften Nordströms entnehmen, dass Gefühle innerhalb der Familie nie aufkamen, da sich alles auf das Leben in der gehobenen Schicht konzentrierte.


Nach der Hochschulreife in Härnösand schrieb sich Ludvig Nordström 1901 an der Universität Uppsala für Literaturgeschichte ein, ohne sich jedoch sonderlich für das Studium zu interessieren, sondern sich mehr dem Vergnügen hinzugeben. Bereits 1902 gab er seine Studien in Uppsala ganz auf und Nordström kehrte zurück in seine Heimatregion. Noch im gleichen Jahr fand er eine Anstellung als Journalist bei der Sundsvalls tidning.

Während seiner Arbeit bei der Sundsvalls tidning wuchs bei Ludvig Nordström das Verlangen nach einer „würdigeren“ Arbeit und er entschloss sich sehr bald Schriftsteller zu werden, wobei hier auch seine Bekanntschaft mit dem nordschwedischen Dichter Olof Högberg eine gewisse Rolle spielte und die Tatsache, dass Sundsvall zu dieser Zeit eine kulturell aufstrebende Stadt war. Bereits 1903 hatte Nordström auch sein erstes autobiographisches Manuskript Unga människor fertiggestellt, das jedoch nicht gedruckt wurde.

Die literarische Karriere von Ludvig Nordström begann im Sommer 1905, als er von Ulvön aus mehrere Reportagen für die Västernorrlands allehanda schrieb, aber auch gleichzeitig Stoff für seine ersten beiden Werke Kains land, das 1906 erschien, und die Novellensammlung Fiskarna, das 1907 veröffentlicht wurde, suchte.

Bereits im ersten Buch verarbeitete Ludvig Nordström die Motive und das Leben im Norrland, eine Thema, das er bis zum seinem Lebensende immer wieder aufnahm, wobei der Schriftsteller seinen Lesern vor allem in seinen ersten Werken einen tiefen Einblick in die industrielle Entwicklung und das bürgerliche Leben Nordschwedens bietet. Man spürt dabei, dass Nordström an die Zukunft Nordschwedens glaubt, an Unternehmer mit neuen Ideen, die der gesamten Bevölkerung Wohlstand bringen werden. Nordström setzt dabei das moderne sozialdemokratische Sundsvall dem konservativen Öbacka (Härnösand) gegenüber, das die Zukunft auf Grund der konservativen Haltung verpasst.

Ab 1920 geht Ludvig Nordström dann in seinen Büchern immer mehr zum Reportageroman über, beginnt aber gleichzeitig, als überzeugter Sozialdemokrat, sich den Arbeitgebern zu nähern und ihre Einsätze positiv hervorzuheben. Als dann Ende der 30er Jahre das Sterben der Industrie in Nordschweden beginnt, so kehrt Nordström zum Journalismus zurück, vor allem zum Radio, und klagt vor allem Stockholm an Nordschweden durch sein kapitalistisches Denken zu zerstören. Diese Theorien findet man auch in seinen Reportageromanen Planeten Markattan aus dem Jahre 1937 und vor allem im Buch Bolsjeviken Stockholm, das Nordström bereits zwei Jahre vorher veröffentlicht hatte.

Da sich Ludvig Nordström in erster Linie für die Entwicklung Nordschwedens interessiert, jedoch weder zu einer klaren Gesellschaftsschicht gehört, immer wieder unter Halluzinationen leidet und stark zum Alkohol neigte, bleibt seine Linie in seinen Werken nicht einheitlich und schon ab den 20er Jahren zeigt sich ein paradoxes Verhalten, denn als einer der wenigen linken Literaten der Zeit sieht er bei den Arbeitgebern ein vorbildliches Verhalten und er zeigt ein Misstrauen gegen revolutionäre Figuren der Arbeiterbewegung. Nordström lässt sich hierbei von der ideellen Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts leiten und sieht die Unternehmer in der Umgebung Sundsvalls eher als Wohltäter, die nur vom Süden Schwedens, vor allem Stockholm, ausgebeutet werden.

Das bedeutendsten Werk von Ludvig Nordström wird dann jedoch seine Reportage im Radio, die unter Lort-Sverige ab 1938 landesweit übertragen wird und im gleichen Jahr von Bonniers in Buchform auf den Markt kommt. Nordström ist für diese Reportage 48 Tage lang unterwegs, durchstreift 11.000 Kilometer und erstellt damit eine Sozialreportage, die mit den Arbeiten von Ivar Lo-Johansson zu vergleichen sind, auch wenn Nordström die Gesellschaft weniger neutral betrachtet als Lo-Johansson, denn Nordström sieht die Engstirnigkeit und den Betrug im Süden Schwedens und die ideale Gesellschaft nur im Norden, so dass er Kiruna mit seinen Bergwerken sogar als det nyaste Sverige hervorhebt und er die Gesellschaft Skånes nahezu als dekadent betrachtet. Dass seine Reportage zudem noch als antisemitisch betrachtet werden muss, verhinderte jedoch nicht, dass dieses Werk in ganz Schweden diskutiert wird und den Autor im ganzen Land bekannt macht.

Copyright: Herbert Kårlin

24 februari 2013

Israel Holmström und die Gesellschaftspoesie des Barock

Israel Holmström wurde im Jahre 1661 als Sohn des Bürgermeister Nils Nilsson (Silenius) und dessen Frau Catharina Israelsdotter Skute geboren, und starb am 24. Februar 1708 im Alter von 46 Jahren in Smorgonie in Litauen. Der Geburtsort von Holmström ist nicht bekannt ist. Der Schriftsteller war nie verheiratet.

Über die frühe Zeit von Israel Holmström ist wenig bekannt, so dass sein öffentliches Leben eigentlich erst am 14. September 1675 beginnt, als er sich an der Universität Uppsala einschreibt, anschließend die Beamtenlaufbahn wählt und ab der Jahrtausendwende König Karl XII., ebenfalls als Beamter, in den Krieg folgte und 1702 zum Kriegsrat ernannt wurde. An Details weiß man noch, dass sein Vater starb als Holmström gerade einmal drei Jahre alt war und dass er in Uppsala vermutlich keinerlei Examen ablegte, da in alten Dokumenten der Universität nichts darüber zu finden ist.


Auf welche Weise Israel Holmström zur Dichtung kam, ist ebenso unbekannt wie sein Werdegang. Das älteste überlieferte Werk ist indes eine Trauerrede in Versform zu Ehren von Magnus Gabriel De la Gardie im Jahre 1686, sieben Jahre bevor er sein bekanntestes Trauergedicht zum Tode von Ulrika Eleonora der Älteren, auch als Ulrike Eleonara von Dänemark bekannt, verfasste. Nur vier Jahre später taucht der Dichter dann erneut mit einem Trauerdicht auf, dieses Mal zum Tode des Königs Karl XI. und mit einer Oration zur Krönung von Karl XII. Diese vier Werke in Versform sind indes mehr als öffentliche Reden zu verstehen als als poetische Werke, auch wenn sie Holmström als einen Meister in der lyrischen Schreibkunst zeigen.

Auch wenn Israel Holmström als Autor von Gedichten und Reden von der gehobenen Schicht Schwedens eine gewisse Anerkennung erfuhr, lebte er nach den Aufzeichnungen seiner Zeitgenossen von der Hand in den Mund und war bis zu seinem Tode sehr arm. Dies hing insbesondere damit zusammen, dass sich Holmström seiner Leistungen im poetischen Schaffen nicht bewusst war und sich auch nicht anstrengte seine Werke veröffentlicht zu bekommen. Dichten schien für den Autor nur eine Art amüsanten Zeitvertreibs zu sein.

Dass Israel Holmström in die Literaturgeschichte Schwedens einging, verdankte er vor allem der Tatsache, das seine Gedichte so beliebt waren, dass Carl Gustaf Tessin einige davon in seinem Äkerödagbok verewigte, andere in der Palmskiöldska samlingen auftauchten und, vermutlich ein Bekannter des Autors, eine kleine Sammlung an politischen Gedichten von Holmström veröffentlichte. Vermutlich müssen jedoch hunderte von Gedichten, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Dokumenten, Tagebüchern und anderen Aufzeichnungen erschienen, in Wirklichkeit Holmström zugeordnet werden, da sie im Aufbau, der Wortwahl und dem Stil zu seinen Werken passen und Holmström zudem, neben Johan Runius, der bedeutendste Dichter dieser Epoche war, dessen Werke nahezu im ganzen Land bekannt waren.

Die Dichtkunst von Israel Holmström zeigt eine enorme Breite für seine Zeit, denn er beherrschte die gesamte Ausdrucksweise der Dichtkunst und verfasste Liebesgedichte, politische Gedicht, Kriegsgedichte und Tanzweisen ebenso wie Trauergedichte oder Epigramme und selbst Hochzeitsgedichte für die Adeligen jener Epoche. Sein Ruf als Dichter war für einen einfachen Beamten erstaunlich und kann mangels Dokumenten bis heute nicht erklärt werden.

Inwieweit man Israel Holmström als „großen“ Dichter bezeichnen kann, darüber sind sich Literaturwissenschaftler bisher nicht einig, was jedoch nicht nur daran liegt, dass man seine Werke zum Großteil nicht kennt, sondern auch daran, dass er nicht immer den Versformen jener Zeit folgte, obwohl er sie beherrschte. Die Frage ist daher, ob er bewusst von den „vorgeschriebenen“ Formen abwich oder ab er einigen seiner Gedichte damit einen besonderen Stempel geben wollte. In einigen seiner Werke wendet er, zum Beispiel, die achtsilbigen Trochäen, die aus der Burleske kommen, für seine politische Dichtung an, was im 17. und 18. Jahrhundert als eindeutiger Stilbruch betrachtet wurde.

Aber Israel Holmström  weicht noch in einem anderen wesentlichen Punkt von den poetischen Regeln jener Zeit ab, denn er greift nicht zum Hochschwedisch, sondern benutzt nahezu ausschließlich die damalige Umgangssprache Stockholms, was seine Werke allerdings einer breiten Schicht näher bringt und darauf hinweist, dass sich Holmström wenig um eine Anerkennung in der wissenschaftlichen literarischen Welt kümmerte. Da sich der Dichter jedoch immer wieder extrem positiv für die königliche Macht ausspricht und die Kriege von Karl XII. in mehreren Gedichten verteidigt, bleibt Holmström in vielen Punkten ein Rätsel der schwedischen Literaturgeschichte, da er zwar dachte wie die Führungsschicht Schwedens, aber schriebt wie der einfache Bürger, der, geschichtlich gesehen, sehr wenig vom König hielt.

Aber auch wenn man über die Dichtkunst und die literarische Leistung von Israel Holmström diskutieren kann, so ist er der einzige Dichter, der über seine breite Dichtkunst das Alltagsbild der Jahrtausendwende mit all seinen Gedanken, dem Krieg und dem gesellschaftlichen Leben vermittelt. Diese poetischen Erzählungen sind umso bedeutendewr, da Holmström zu einer unterhaltenden Sprache greift und selbst in der Lage ist seine Emotionen in einem Gedicht festzuhalten.

Copyright: Herbert Kårlin

23 februari 2013

Ivar Lo-Johansson, ein Pfeiler der Arbeiterliteratur Schwedens

Ivar Lo-Johansson (eigentlich Karl Ivar Loe) wurde am 23. Februar 1901 als Sohn des landwirtschaftlichen Arbeiters Johan Gottfrid Jansson, einem sogenannten Statare, und dessen Ehefrau Anna Lovisa Andersdotter in Ösmo geboren und starb am 11. April 1990 in Stockholm. Lo-Johansson war nie verheiratet, hatte jedoch mehrere längere Liebesverhältnisse mit bedeutenden Frauen, unter anderem der Schriftstellerin Sara Lidman, der Lyrikerin Ann Smith und der Freiherrin Ingrid Stiernblad. Alle diese Verhältnisse verarbeitete der Autor in seinen Büchern.

Seine Kindheit verbracht Ivar Lo-Johansson in ärmlichen Verhältnissen an verschiedenen Orten. Nach sieben Jahren in der Volksschule schien die Ausbildung des Schriftstellers zu Ende zu sein. Seine tatsächliche Bildung erwarb er daher weitaus später an der Volkshochschule, wo er sich nicht nur für die schwedische Sprache und Geschichte interessierte, sondern auch im Privatunterricht Französisch lernte.


Auch wenn Ivar Lo-Johansson sich schon sehr früh entschieden hatte Journalist oder Schriftsteller zu werden, so musste er sich sein Geld erst als Landarbeiter verdienen und, als er mit Mitte 20 nach Stockholm zog, sich mit den unterschiedlichsten Arbeiten über Wasser halten. Der Schriftsteller arbeitete im Steinbruch, versuchte sich als Bildhauer und nahm nahezu jeden Gelegenheitsjob an, der sich bot. Parallel dazu arbeitete er jedoch an seinem ersten Buch.

Im Jahre 1927 erschien mit Vagabondliv i Frankrike das erste Buch von Ivar Lo-Johansson, eine Reiseschilderung von einer Fahrt nach Frankreich, die Lo-Johansson mit 19 oder 20 unternommen hatte. Bereits in diesem Werk findet man die Züge des Arbeiterschriftstellers, der nicht die Schönheit des Landes lobt, sondern in Form eines Reiseberichts das Leben der Bauarbeiter und Bauern Frankreichs schildert. Der Autor plant dieses Thema als Serie auszubauen und in gleicher Weise auch über alle anderen europäischen Länder zu schreiben. Letztendlich besteht diese Reihe dann jedoch nur aus fünf Büchern und endet mit Nederstigen i dödsriket, der Welt der Armen Londons, und Zigenare. En sommar på det hemlösa folkets vandringsstigar, die beide 1929 erscheinen und das Ergebnis seiner Reportagereisen nach Ungarn, Frankreich und England sind.

Nach mehreren Romanen und Novellen aus dem Arbeiterleben und dem Landleben beginnt Ivar Lo-Johansson seine bedeutendsten Werke zu schreiben, die ihn zu einem Vorbild zahlreicher Arbeiterliteraten machen und in ihrer Stärke des Ausdrucks kaum ihresgleichen finden.

Mit seinem Roman Godnatt, jord begann Ivar Lo-Johansson im Jahre 1933 über die Situation der Statarna zu schreiben, über die Landarbeiter, die vor allem im südlichen Schweden üblich waren und einen nicht geringen Teil ihres Lohnes in Form von Naturalien ausbezahlt bekamen, Verträge nur für jeweils ein Jahr erhielten und teilweise wie Leibeigene behandelt wurden. Lo-Johansson beleuchtet in diesen Büchern auch Randprobleme, denn in Kungsgatan folgt er Jugendlichen, die in Stadt entkommen wollen und dort ihr Glück machen wollen und in Bara en mor taucht man in das Leben der Ehefrauen des Statare und erlebt ihre Träumen, die bei dem harten Leben zu Bruche gehen. Bara en mor öffnete dem Schriftsteller eine breite Leserschicht, was letztendlich auch dazu führte, dass diese Art der Ausbeutung 1944 in Schweden verboten wurde.

Mit seinem Roman Geniet im Jahr 1947 geht Ivar Lo-Johansson dann dazu über aus seinem Leben zu erzählen, wobei Geniet noch ein Übergangswerk ist und vor allem von der Einsamkeit des Schreibens handelt, ein Buch das die Isolation beschreibt in die ein Arbeiter gerät wenn er sich im Bereich der literarischen Bourgeoisie bewegt und den Weg nach Oben beschreiten will, einer Welt, wo nicht Wissen und Genie entscheiden, sondern Herkunft und Beziehungen. Ohne den Begriff Mobbing zu kennen, schildert der Schriftsteller hier eine Situation, die heute als Politikum betrachtet wird.

Nur vier Jahre später beginnt Ivar Lo-Johansson mit Analfabeten einer achtbändige Reihe an Romanen, die man als Autobiographie des Schriftstellers betrachten kann und von seiner Kindheit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs führt, wobei der letzte Band Proletärförfattaren kein Roman mehr wird, sondern eine Zusammenfügung verschiedener Erinnerungen, die romantechnisch keinen anderen Platz fanden. Diese Bände werden zwischen 1978 und 1985 durch die vierbändigen Memoiren ergänzt, die unter den Titeln Pubertetet, Asfalt, Tröskeln und Frihet erscheinen.

Eine Sonderstellung im literarischen Schaffen von Ivar Lo-Johansson nehmen die sieben Bände ein, die unter Passionssviten zwischen 1968 und 1972 erschienen, denn der Schriftsteller greift hier nicht zu seiner üblichen Romanform, sondern veröffentlicht 100 Novellen, die die Passionen und Laster der Menschheit schildern. Da er hier jedoch nicht nur über Machthunger und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft schreibt, sondern auch die Erotik und die erotischen Träume eine wichtige Rolle einnehmen, wird der Autor als sittenverderbend betrachtet und die Passionssuite wird nahezu verschwiegen, wodurch die schwedische Gesellschaft ihre Doppelmoral zeigt, da Lo-Johansson nur aus dem tatsächlichen Leben schöpft.

Ivar Lo-Johansson ist der typische Vertreter der schwedischen Arbeiterliteratur des 20. Jahrhunderts, dem es auf die Verbesserung der Gesellschaft ankam und der sich nicht einem Parteisystem unterordnete. So wie er erst gegen das System der Statarna kämpfte, so setzte er sich in den 50er Jahren für ältere Menschen ein, die in Altersheimen versteckt wurden und in der Misere auf den Tod warteten. Durch seine Bücher und Artikel in Zeitschriften konnte er vieles ändern indem er das Volk auf Missstände aufmerksam machte. Und Lo-Johansson war glaubwürdig, denn er er war einer unter den Arbeitern, der über das schrieb, was er selbst erlebt hatte oder mit eigenen Augen gesehen hatte.

Copyright: Herbert Kårlin

22 februari 2013

Christina Charlotta Cederström, eine unveröffentlichte Dichterin

Christina Charlotta Cederström, geborene Mörner af Morlanda, wurde am 2. März 1760 als Tochter des Oberstleutnants Graf Karl Gustav Mörner af Morlanda und dessen Frau Sofia Elisabet Steuch auf Gut Gåvetorp in Halmstad geboren und starb am 22. Februar 1832 im Alter von 72 Jahren in Benestad bei Alvesta. Cederström war in erster Ehe mit dem Freiherrn und Major Axel Ture Gyllenkrok verheiratet und in zweiter Ehe mit Freiherrn Bror Cederström.

Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Christina Charlotta Cederström überwiegend beim Großvater mütterlicherseits, wo sie auch ihre Ausbildung erhielt und Dichtung kennenlernte. Ihre Ausbildung zielte darauf, dass sie an den Hof des Königs Gustav III. kommen sollte, was auch ihr Wunsch war. Ob Cederström eine Zeit lang am königlichen Hof verbrachte, ist umstritten, aber möglich. Als 20-jährige heirate sie auf dem Gut der Großmutter den Freiherr Axel Gyllenkrok, den Sohn eines der reichsten und einflussreichsten Personen Skånes und zog auf das Gut Gyllenkroks.


Ölgemälde von K. F. von Breda, 1804
Schwedisches Reichsarchiv

Nach der Ehe landete Christina Charlotta Cederström auf dem Lande ohne irgendwelche Beschäftigung und gesellschaftliche Kontakte, was sie nicht nur in eine Phase der Tristheit und Nostalgie führte, sondern auch dazu, dass sie eine künstlerische Beschäftigung suchte und dabei zum Schreiben und Malen fand.

Wie viel Christina Charlotta Cederström während der knapp 20 Jahre in Björnstorp schrieb, der Zeit, die sie auf dem Lande verbrachte, ist unbekannt, da die Autorin nie ein gesamtes Werk selbst veröffentlichte und daher nur Manuskripte überliefert wurden, die einen Eindruck über ihr Schaffen vermitteln. Unter diesen Manuskripten findet man zahlreiche Gedichte und einen Roman, der ohne Titel blieb, und im Stil von Jean-Jacques Rousseau geschrieben ist, was darauf schließen lässt, dass Cederström sehr belesen war und dem damaligen Trend zur französischen Kultur folgte. Die überlieferten Handschriften von Gedichten aus den Jahren 1789/90 vermitteln eine sentimentale und melancholische Stimmung. Auch wenn sie gut formuliert sind, so fehlt der Lyrik jedoch die Persönlichkeit, die ein literarisches Werk mit sich führen muss.

Die Ehe von Christina Charlotta Cederström war von Beginn an schlecht, ging aber nach etwa zehn Jahre Gemeinschaft bereits vollkommen zu Ende, wobei sich Cederström schon 1792 in ihren zweiten Mann verliebte und ihr Ehemann zudem häufig fremd ging. Aus der anfänglichen engen Freundschaft zu Bror Cederström wurde, nach der Scheidung vom ersten Ehemann, im Jahre 1800 die zweite Ehe der Künstlerin und sie zog in das Zentrum des kulturellen Lebens, nach Stockholm.

In Stockholm wird Christina Charlotta Cederström vor allem für ihre Malerei und ihre satirischen Zeichnungen gelobt und 1803 wird sie Ehrenmitglied der schwedischen und der französischen Kunstakademie. Ihre Gedichte nehmen eine optimistischen Stil an und schildern vor allem die Idylle der Natur. Cederström schreibt in diesen Jahren jedoch auch einige nachdenklichen Gedichte, wobei ihre Werke, die in Stockholm entstehen, weitaus reifer sind als jene der Anfangszeit. Ob Cederström, wie in der Kunst, wirklich als schwedische Literatur zu bezeichnen sind, darüber konnten sich Literaturwissenschaftler bis heute nicht einigen.

Warum Christina Charlotta Cederström dennoch in die schwedische Literaturgeschichte eingingt, liegt vor allem daran, dass sei, wenn auch in einer geringeren Auswirkung als Malla Silfverstolpe, die künstlerische und literarische Welt in Form eines Solons um sich scharte. Nicht nur, dass dadurch auch ihre eigenen Gedichte weitere Kreise ansprachen, sonder es verkehrte auch Olof Åhlström regelmäßig in ihrem Haus, einer der bedeutendsten Komponisten dieser Zeit. Åhlström war von einigen der Gedichte Cederströms so angetan, dass er sie vertonte und dadurch der Nachwelt überlieferte. Auch Cederström selbst versuchte sich in der Vertonung einiger Gedichte, was jedoch nur die bestmögliche Leistung eines Amateurs wurde.

Nach 1812 wurden kaum noch Gedichte von Christina Charlotta Cederström gefunden, jedoch noch eine Reiseschilderung aus dem Jahre 1818, die ihre Stärke darin zeigt, dass Cederström die geschichtlichen Elemente mit in das Werk einfließen ließ. Da sich die Autorin und Künstlerin ihr Leben lang intensiv für Geschichte interessierte, schuf sie damit auch eine gewisses Zeitdokument, das leider nur teilweise in Zeitschriften veröffentlicht wurde.

Als ihr Ehemann in politische Ungnade gefallen war und das Ehepaar nach Oby und Växjö zog, verringern sich die gesellschaftlichen Kontakte und das Schaffen von Christina Charlotta Cederström geht dem Ende entgegen. Aus der Zeit nach 1816, als ihr Mann starb, gibt es, ausser den Reisebeschreibungen, keine Aufzeichnungen der Autorin mehr, auch wenn unwahrscheinlich ist, dass sie nach dieser Zeit keinerlei künstlerischen oder literarischen Aktivität mehr nachging.

Copyright: Herbert Kårlin

21 februari 2013

Håkan Nesser, Kommissar Van Veeteren und Kommissar Barbarotti

Håkan Nesser wurde am 21. Februar 1950 als Sohn des Landwirts Sven August Nesser und dessen Frau, der Kontoristin Maria Olivia, auf einem Bauernhof in der Nähe von Kumla geboren. Der Schriftsteller war in erster Ehe mit  Anne verheiratet und in zweiter Ehe mit Elke. Nesser hatte seinen letzten Wohnsitz bei London und lebte vorher mit seiner Familie in New York.

Da sein Vater den Hof bereits 1953 verkaufte um anschließend gepachtete Felder zu bearbeiten, zog die Familie in diesem Jahr nach Kumla wo Håkan Nesser seine Kindheit und seine Jugend verbrachte. Nesser besuchte die Grundschule und die Realschule in Kumla, anschließend das Gymnasium in Hallsberg. Dort legte Nesser 1968 auch die Hochschulreife ab. Unmittelbar danach begann er ein Studium an der Universität Uppsala, wo er sich für Literaturgeschichte, Nordische Sprachen, Geschichte, Philosophie und Englisch einschrieb. Sehr bald wechselte der Schriftsteller dann jedoch auf die Hochschule für Lehrer über um Gymnasiallehrer für Schwedisch und Englisch zu werden, ein Ziel, das er 1974 mit einer Anstellung in Märsta erreicht hatte.


Das Milieu in dem Håkan Nesser aufwuchs, verewigte der Autor später in seinen beiden Romanen Kim Novak badade aldrig i Genesarets sjö und Piccadilly Circus ligger inte i Kumla, die beide verfilmt wurden. Nur wenige, die diese beide Filme sehen oder die Bücher lesen, denken, vor allem wegen der spannenden Erzählung, daran, dass sie dort sehr viele autobiographische Zeichen des Autors finden.

Bis 1984 deutete nichts im Leben von Håkan Nesser darauf hin, das er sich zu einem der bedeutendsten schwedischen Kriminalautoren entwickeln sollte, da er ein ruhiges Leben mit seiner Frau Anne und seinen beiden Kindern führte. Als jedoch 1984 die Ehe geschieden wurde, begann sich Nesser an die Schreibmaschine zu setzen. Bereits 1988 veröffentlichte er dann seinen ersten Roman mit dem Titel Koreografen. Aber auch wenn sein existentieller Liebesroman sehr positiv von den Kritikern angenommen wurde, so blieb das Buch bei den Buchhändlern im Regal liegen.

Der schlechte Verkauf hinderte Håkan Nesser jedoch nicht daran sich an ein neues Buch zu schreiben. Im Jahre 1993 erschien dann sein erster Kriminalroman mit Kommissar Van Veeteren, der den Titel Det grovmaskiga nätet trägt und vom ersten Moment an zu einem Verkaufserfolg wird und von der Deckarakademien zudem als das beste Erstlingswerk des Jahres ausgezeichnet wird.

Mit Van Veeteren war es Håkan Nesser gelungen einen Polizisten zu schaffen, der sich von den anderen Kriminalhelden jener Zeit unterschied, mit Handlungen, die sowohl in Schweden als auch in Deutschland oder Polen vorkommen konnten. Da Nesser auch nicht erklärte wo seine fiktive Stadt Maardam liegt, die eine Mischung aus Kumla und Örebro ist, blieb dies bis zu den ersten Verfilmungen im Jahr 2000 ein Rätsel. Aber auch nach 2000 war es mehr der Regisseur der Filme der die Umgebung nannte als der Schriftsteller selbst.

Dem ersten Krimi mit Van Veeteren folgten weitere neun Romane in denen Håkan Nesser die gleichen Hauptpersonen handeln ließ. Im Laufe der Zeit nehmen allerdings nicht nur die handelnden Hauptpersonen bestimmte Charakterzüge an, sondern auch die Umgebung wird immer deutlicher beschrieben. Die Analyse dieser zehn Bücher zeigte, dass Nesser sich einen Stadtplan für Maardam gezeichnet haben musste, denn er behält die Logik, die er bereits mit seinem ersten Krimi schuf in allen Folgebänden bei, ein Detail, das die meisten Autoren bei fiktiven Orten vernachlässigen.

Nach dem Jahre 2003 bezeichnet Håkan Nesser die Karriere des Van Veeteren für beendet und er beginnt nicht nur an einer neuen fünfbändigen Krimireihe mit Kommissar Gunnar Barbarotti, die 2012 mit dem letzten Band Styckerskan från Lilla burma endete, zu arbeiten, sondern er schreibt auch über New York, einen Experimentalroman über Londen, Novellen und andere Werke, was jedoch immer wieder beweist, dass die Stärke des Autors im Kriminalroman liegt, da diese weitaus mehr Leser finden als jedes andere Werk.

Den größten Erfolg hatte Håkan Nesser bisher mit seinen Büchern mit Kommissar Van Veeteren, einer Serie, die zu Beginn 2013 in über zehn Millionen Exemplaren verkauft worden war, in 25 Ländern gelesen wird und alle mit Sven Wollters in der Hauptrolle verfilmt wurden. Woran der Schriftsteller gegenwärtig arbeitet, will er noch nicht aufdecken, auch wenn seine bisherigen Leser darauf hoffen, dass es erneut ein Kriminalroman mit mehreren Bänden sein wird.

Copyright: Herbert Kårlin

20 februari 2013

Klas Östergren, das exzentrische literarische Genie

Klas Östergren wurde am 20. Februar 1955 in Stockholm geboren, war in erster Ehe (1982 - 1989) mit der Schauspielerin Pernilla August verheiratet und lebt seit rund 30 Jahren mit seiner zweiten Frau Cilla und seinen Kindern in Kivik in Skåne. Östergren ist vermutlich der einzige Gegenwartsautor Schwedens, der in jedem seiner Bücher autobiographische Elemente verarbeitet ohne jedoch zu viel zu entschlüsseln, was grundsätzlich die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Selbstdarstellung verschwimmen lässt.

Auch wenn Klas Östergren heute in Skåne lebt, so repräsentiert er den typischen bürgerlichen Autor Stockholms, der weiß wie man aufzutreten hat und in kaum einer Gesellschaftsschicht Fehler macht. Der Schriftsteller selbst sagte einst, dass er nicht in irgendeine Schablone gesetzt werden will und bleibt daher immer etwas mystisch, was sich auch durch ausweichende Erklärungen und sein nahezu „unpersönliches“ Auftreten als Mann der Welt ausdrückt.


Als Literat trat Klas Östergren erstmals im Jahre 1975 an die Öffentlichkeit. Mit seinem Roman Attila legte er unmittelbar einen Verkaufserfolg vor, der im ersten Moment an Ulf Lundells ersten Roman Jack erinnerte, sich auf den zweiten Blick jedoch, im Gegensatz zu Jack, auf zwei Niveaus abspielte, denn bereits in diesem Roman wusste Östergren Fiktion mit Erinnerungen zu verknüpfen. Der Unterschied zu den neueren Büchern des Autors ist jedoch, dass Attila, nach einer Liebesgeschichte, positiv endet und weniger die Abgründe zeigt, die man in den späteren Werken des Schriftstellers entdecken kann.

Der wahre Durchbruch kam für Klas Östergren, nach zwei weiteren Romanen, die man ebenfalls als Anfangsromane bezeichnen kann, denn im Jahre 1980 legt er den Roman Gentlemen vor, eine sehr moderne Version von August Strindbergs Röda rummet wird, ein Buch, das nicht nur eines der meistgelesenen Bücher der 80er Jahre wird, sondern sich in einem modernen Klassiker verwandelt, der mit der Fortsetzung, die 25 Jahre später erschien, von vielen Kritikern und Literaten als das beste Buch Schwedens des Jahrhunderts bezeichnet wird.

Wie auch bei seinen späteren Romanen, ist Klas Östergren bereits bei Gentlemen in der Lage seine Gesellschaftskritik mit Humor zu umgeben und diese also nahezu als Nebensache zu behandeln, obwohl man in der Zeit in der das Buch handelt einen sehr bedeutenden Umbruch der schwedischen Gesellschaft spürt.

Nach der Stärke des Buches Gentlemen wird es für Klas Östergren sehr schwierig an den Erfolg anzuknüpfen und die Folgewerke richten sich daher mehr an die vorhandene Leserschicht als eine neue größere. Das Ergebnis ist, dass sich Östergren die kommenden Jahre vor allem auf Übersetzungen spezialisiert, unter anderem mehrere Dramen von Henrik Ibsen überträgt und The Catcher in the Rye von Jerome David Salinger übersetzt.

Zwischen 1988 und 1994 veröffentlicht Klas Östergren dann die Trilogie Ankare, Handelsmän och partisaner und Under i september, womit er seine Leser damit regelrecht schockt, denn der Autor steigt hier in Tiefen des Alkohols, der Ausgesetztheit, des Misslingens und bietet drei Geschichten, die, in Fiktion verpackt, von Fremdenfeindlichkeit, unglücklicher Liebe und dem Vergessen durch Alkohol handeln. Östergren lässt aber auch hier offen wer wirklich verfolgt und diskriminiert wird oder welche Situationen dazu führen, sondern er bleibt der beobachtende Schriftsteller, der es vermeidet eine klare Stellung einzunehmen, aber dem Leser dennoch zu denken geben will.

Nach zwei weiteren Romanen, die die Leser nur bedingt zufrieden stellen, macht Klas Östergren erneut eine „Romanpause“ und schreibt fünf Jahre lang Manuskripte für Kinofilme und Fernsehfilme, unter anderem für Veranda för en tenor unter der Regie von Lisa Ohlin und Soldater i månsken, ein Fernsehdrama in vier Teilen, das vom Staatsfernsehen SVT im Jahr 2000 ausgestrahlt wird.

Im Jahre 2003 kehrt der Literat Klas Östergren mit der Novellensammlung Tre pörträtt zurück, der zwei Jahre später der zweite Band Gentlemen folgt und nicht nur an sein erstes Werk anknüpft, sondern auch unmittelbar wieder zum Bestseller wird und dem Autor in den folgenden Jahren fünf bedeutende schwedische Buchpreise bringt. Bevor Östergren dann 2009 mit Den sista cigaretten ein weiteres Meisterwerk bietet, erscheint noch das Buch Orkanpartyt, das man in keiner Weise mit seinen anderen Werken in Verbindung bringen kann, da er hier einen Teil der Edda in einer modernen Fassung wiedergibt bei der die Strafe Gottes im Zentrum steht. Beim Lesen des Buches erkennt selbst der ungewohnte Leser, dass es sich hierbei um eine Auftragsarbeit handelt, die in keiner Weise aus der Seele des Autors kommt.

Die Größe von Klas Östergren liegt vor allem darin, dass er bei jedem seiner Bücher im Zeitstrom schwimmt, eine Kleinigkeit von sich selbst einflechtet und ein Thema von der ersten bis zur letzten Zeile mit skrupellosen Logik behandelt. Man spürt, dass Östergren sein Manuskript immer wieder überarbeitet, darüber nachdenkt und dem Verlag tatsächlich ein Endprodukt vorlegt, das man nicht besser gestalten kann. Nach dem Autor selbst geht diese „Pedanterie“ sogar soweit, dass er seinen Verlegern nur ein fehlerloses Manuskript ohne jede handschriftliche Anmerkung und Korrektur liefert, obwohl Östergren zu jenen Autoren gehört, die noch heute zur Schreibmaschine greifen.

Copyright: Herbert Kårlin

19 februari 2013

Kjell Espmark, ein Leben für eine unsterbliche Literatur

Kjell Espmark wurde am 19. Februar 1930 in Strömsund im Jämtland als Sohn eines Zahnarztes geboren, den er jedoch nur die ersten zwei Jahre seines Lebens erlebte, da sich die Eltern 1932 scheiden ließen und die Mutter mit dem Schriftsteller und seinem Bruder nach Stockholm ging, wo sie sich ebenfalls zur Zahnärztin ausbildete. Espmark lebt abwechseln in Stockholm und auf Gotland.

An seine Kindheit und seine Jugend will sich Kjell Espmark wenig erinnern, da ihn die zersplitterte Familie und eine ehrgeizige Mutter, die bei Schwierigkeiten immer wieder mit Selbstmord drohte, wenig Familiengefühl schaffen konnte. Eine Beziehung konnte Espmark daher weder zu seiner Mutter noch zu seinem Vater aufbauen. Nach der Hochschulreife studierte der Schriftsteller Literaturwissenschaft an der Universität Stockholm, wo er von 1978 bis 1995 auch auch als Professor in diesem Fach tätig war.


Noch während seines Studiums in Stockholm erschien die erste von zwölf Gedichtsammlungen von Kjell Espmark. Nach Aussagen des Autors selbst handelt es sich bei diesen zwölf Bänden, die mit Mordet på Benjamin beginnen und 2007 mit Vintergata enden, um eine eine einzige Linie, die auf seinen letzten Gedichtband zuführt, in dem er das Gedicht zu einem Sprachrohr anderer macht und daher zum Rollengedicht greift, das in unterschiedlichen Teilen der Erde und in unterschiedlichen geschichtlichen Epochen lebt. Seine Gedichte bilden eine gewisse Einheit, die auch den Wissenschaftler Espmark durchkommen lassen, der die Lyrik des klassischen Altertums mit den modernsten Strömungen verbinden kann. Nach mehreren Kritikern hat Esplunds mit seinem letzte Lyrikband das höchste Ziel eines Poeten erreicht nach dem andere Dichter noch suchen.

Auch wenn Kjell Espmark vor allem durch seine Lyrik bekannt wurde, so veröffentlichte er zwischen 1987 und 1997 auch sieben Romane, die in ihrer Art einzigartig sind und den sieben Todsünden entsprechen, denn der Autor nahm sich vor „Die menschliche Komödie“ von Honoré de Balzac und die „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri in einer modernen Version für die schwedische Gegenwartsgesellschaft zu schreiben, ein Projekt, das der Autor seit Jahren vorbereitet hatte und keinem anderen Werk der Gegenwart gegenübergestellt werden kann. Den ersten Band nennt Espmark Glömskan (Die Vergesslichkeit) und den letzten Glädjen (Die Freude) und das Gesamtwerk Glömskans tid. Das Werk findet eine große Beachtung, aber es überfordert die Kritiker, zumal die Romanfolge geradezu wissenschaftlich geplant ist und die Wortwahl einem Professor für Literaturwissenschaft gerecht wird, aber gleichzeitig eine Gegenwart zeigt in der Schweden bereits in Scherben liegt. Der Leser wird symbolisch in die schwedische Hölle Dantes geführt.

Der Tod der Ehefrau zur Jahrtausendwende führt Kjell Espmark dann vollkommen in die Welt der Worte, was sich gewissermaßen sogar positiv auf sein Schaffen und die Tiefe seiner Werke auswirkt. Die Bewältigung seines Schmerzes findet man indes in seinem Gedichtband De levande har inga gravar bei dem er seine Gedichte seiner toten Frau in den Mund legt. Dieses Werk ist indes ein Teil seiner 12-bändigen Gedichtsammlung.

Den Beginn des 21. Jahrhunderts widmet Kjell Espmark verstärkt der Prosa. Im Jahre 2005 erscheint seine Biografie über Harry Martinson, in der er versucht die Stärken des Autors hervorzuheben und die Schwächen abzuschwächen. Fünf Jahre später veröffentlicht Espmark seine etwas versteckten Memoiren Minnena ljuger, die er Minnen bara minnen (Erinnerungen, nichts als Erinnerungen) nennt. Der Autor, der vorher immer erklärte, dass er keinerlei Neigung zum Schreiben seiner Memoiren hat, nimmt hier eine Hintertür indem er bereits mit dem Titel erklärt, dass es sich um subjektive Erinnerungen handelt und nicht um eine objektive Wirklichkeit, und zum anderen bezeichnet er es als Erinnerungen und verzichtet bewusst darauf sein Leben in seiner Gesamtheit aufzudecken.

Der letzte Titel, den Kjell Espmark bisher vorlegte, erschien im Jahre 2011 unter dem Titel I vargtimmen und kann als Ergänzung zu seinen nicht geschriebenen Memoiren betrachtet werden, da es in melancholischer Art die Gedanken des Autors im Laufe des Lebens schildert und von Personen handelt, die ihm im während dieser Zeit wichtig waren oder ihm näher kamen.

Als Schriftsteller gehört Kjell Espmark einer Gruppe an Autoren an, die in ihrer Denkweise noch in der Epoche vor den 68er Jahren leben und danach den Untergang Schwedens sehen, das seine gesellschaftliche Werte und selbst seine Sprache langsam verliert ,ohne dass der Schriftsteller jedoch zum wirklich konservativen Flügel neigt. Diese Einstellung wirkt sich auch auf seine Sprache aus und hängt sicher damit zusammen, dass er sein Leben lang mit der Literatur der Vergangenheit konfrontiert war, die er seinen Studenten auf eine spannende Weise präsentieren musste.

Kjell Espmark wurde im Jahre 1981 in die Svenska Akademien gewählt und nahm, nach Elias Wessén, auf dem Stuhl Nummer 16 Platz. Durch Zufall nahm Espmark damit als Literaturwissenschaftler den Platz eines Sprachforschers ein.

Copyright: Herbert Kårlin

18 februari 2013

Bertil Malmberg und die göttliche Lyrik

Bertil Malmberg wurde am 13. August 1889 als Sohn des Lektors Alexander Teodor Malmberg und dessen Frau Johanna (Hanna) Amalia Roman in Härnösand geboren und starb am 11. Februar 1958 auf Lidingö. Malmberg heiratete am 17. Januar 1918 in erster Ehe Gabriele (Gaby) Josephine Marie Bürger in München, wo er um diese Zeit lebte, 1937  heiratete er in Stockholm in zweiter Ehe Greta Elvira Fredrika Hellströmer, 1941 in dritter Ehe Tyra Görel Hanna Törngren und 1947 in vierter Ehe Carin Maria Svedberg.

Seine Kindheit verachte Bertil Malmberg in einem bürgerlichen Milieu in dem Literatur sehr hoch gehalten wurde, so dass der junge Malmberg sehr früh mit der klassischen Literatur vertraut war, insbesondere mit den Werken von Zacharias Topelius und Esaias Tegnér, die im Elternhaus besonders gewürdigt wurden. Da der Vater 1903 an die Pädagogische Hochschule nach Stockholm versetzt wurde, ging Malmberg dort zur Schule und machte 1907 am Gymnasium Norra Latin seine Hochschulreife.


Nach der Hochschulreife begann Bertil Malmberg ein Studium in Uppsala, verbrachte jedoch bereits den Sommer in Berlin und kehrte im Folgejahr nach Lund an die Universität zurück um die deutsche Sprache zu studieren. Auch dieses Studium brach er ein Jahr später ab um nach Berlin zu gehen, wo er Vilhelm Ekelund kennenlernte und sich begann intensiv mit Friedrich Wilhelm Nietzsche zu beschäftigen.

Bereits während seiner Studien in Uppsala begann Bertil Malmberg Lyrik zu schreiben und noch im gleichen Jahr erschien sein erster Gedichtband Bränder, wobei die Gedichte jedoch noch stark an die Werke von Charles Baudelaire, Sven Lidman und Oscar Levertin angelehnt waren und typische Werke der literarischen Dekadenz dieser Epoche repräsentieren. Die Weichen im Schaffen  Malmbergs wurden erst bei seinem Aufenthalt im Jahre 1910 in Berlin gestellt, wo er die französischen Kultur gegen die deutsche tauschte, was 1911 zu seinem Gedichtband Uppgörelse och löfte und ein Jahr später zu Dåd och dröm führte. Aus einem Lyriker der Dekadenz entwickelte sich in kurzer Zeit ein patriotischer und konservativer Schriftsteller, der die deutsche Kultur als die höchste Form betrachtete. Allerdings konnte Malmberg auch mit diesen beiden Bänden das Publikum und die Kritiker noch nicht erobern.

In den Folgejahren entwickelt sich Bertil Malmberg zu einem deutsch geprägten Romantiker, der den Lyriker als ausgewählte Person sieht, die über allen anderen Werten der der Gesellschaft steht. Lyrische Werke sind für den Verfasser, trotz des in jener Zeit herrschenden Ersten Weltkriegs, der Ausdruck des Edlen und der Schönheit. Diese deutschgeprägte Denkweise der Lyrik jener Epoche führt dazu, dass Malmberg sich 1917 entschließt ganz nach München zu ziehen. Er fühlt sich in Schweden unverstanden und hofft in Deutschland seine Träume erfüllt zu sehen.

Die nun folgenden Werke von Bertil Malmberg lehnen sich an jene von Friedrich Hölderlin, Rainer Maria Rilke, Götz George und andere Autoren an, ohne dass Malmberg jedoch seinen eigenen literarischen Weg verlässt, denn seine Gedichte sind nun von einer Weltuntergangsstimmung gefüllt und parallel dazu nehmen seine Alkoholexzesse zu. Das Ende des Ersten Weltkriegs war für Malmberg eine Katastrophe für ein so hochstehendes Land wie Deutschland, was auch dazu führt, dass er die Ideen Hitlers begrüßte und in diesem Politiker die Rückkehr der deutschen Ideale sah.

Als Bertil Malmberg 1928 nach Stockholm zurückkehrt, muss er erst im Hospital behandelt werden, da der Alkohol und Krankheiten ihre Spuren hinterlassen haben. Der Schriftsteller hat nun jedoch seine literarische Jugend verlassen, ohne jedoch die Überzeugung verloren zu haben, dass ein Schriftsteller, insbesondere ein Lyriker, eine besondere Stellung in der Gesellschaft einnimmt, eine Einstellung, die auch dazu führt, dass Malmberg als Narzisst betrachtet wird, der sich nur in den Vordergrund stellen will.

Die literarische Arbeit von Bertil Malmberg ab den 40er Jahren verliert dann jedoch eine klare Richtung, denn in seinem Gedichtband Flöjter ur ödsligheten mischt er jede Art von Gedichten und fügt selbst Liebesgedichte ein. Etwa gleichzeitig beginnt Malmberg auch als Dramatiker zu arbeiten, wobei er bei seinem Stück Excellensen, das 1942 erstmals aufgeführt wird, eine deutliche Haltung gegen die Okkupation und den Nazismus einnimmt, da Hitler keine seiner ursprünglichen Erwartungen zur Hervorhebung des edlen Menschen stützte.

Ende der 40er Jahre tritt Bertil Malmberg in seine letzte Schaffensphase ein in der er sich den schwedischen Modernisten der 40er Jahre nähert und er sich vom Reim entfernt und überwiegend zur freien Lyrik greift. Diese Ausdrucksform wird insbesondere bei seinen letzten beiden Gedichtbänden Lek med belysningar aus dem Jahre 1953 und bei Klaviatur, das zwei Jahr später erschient, sehr deutlich zu spüren.

Während dieser letzten Phase schreibt Bertil Malmberg auch seine Memoiren, die unter den Titeln Ett stycke väg und Ett författarliv erscheinen, jedoch mehr dazu dienen dem Leser seine Entwicklung und seine Entscheidungen zu präsentieren ohne unbedingt auf den Wahrheitsgehalt zu achten. Noch am Ende seines Lebens sieht sich der Autor über die Gesellschaft erhoben und sieht sich als nahezu göttlich an.

Bertil Malmberg, der 1953 in die Svenska Akademien gewählt wurde und dort, nach Gustaf Hellström, den Stuhl Nummer 18 besetzte, war zwar überwiegend Lyriker und bringt auch in diesem Bereich die höchsten Leistungen, aber bereits ab den 30er Jahren schrieb er auch in kulturellen Seiten von Zeitungen und Zeitschriften und verfasste Essays, die jedoch bereits während seines Lebens nur eine Nebenrolle bei seinem Schaffen spielten.

Copyright: Herbert Kårlin

17 februari 2013

Ebba von Sydow, Trendbücher die eine Generation beeinflussen

Ebba von Sydow wurde am 18. Februar 1981 als Tochter des Schiffsmaklers Oscar von Sydow und dessen Frau, der Ärztin Helen Svärd in Göteborg geboren und entstammt dem alten deutschen Geschlecht von Sydow, das 1724 in Schweden einwanderte. Von Sydow ist mit dem TV-Direktor Johan Kleberg verheiratet und lebt in Östermalm, Stockholm. Die Sommer verbringt die Familie überwiegend auf Marstrand.

Die Kindheit verbrachte Ebba von Sydow, gemeinsam mit ihrer Schwester Amy und ihrem Bruder August, im Göteborger Stadtteil Örgryte, wobei sie die Privatschule Högre samskola besuchte, die nach dem Prinzip von Maria Montessori unterrichtet. Nach der Hochschulreife besuchte von Sydow ein Jahr lang das Emerson College in Boston um Journalismus zu studieren, hing einige Monate Medienwissenschaft an der Universität Göteborg an und begann ein Jurastudium an der Universität Stockholm, das sie jedoch nach einem Jahr abbrach. Ab 2002 arbeitete die Journalistin und Schriftstellerin dann als freie Journalistin und begann Bücher zu schreiben.


Als Schriftstellerin begann Ebba von Sydow im Jahre 1995 mit ihrem kleinen Werk Musik är mycket, men lyckan är allt, das man im Grunde kaum als literarisches Werk betrachten kann, da es sich dabei um ein längeres Interview handelt, das sie mit dem schottischen Musiker Robert Bernard Andrew („Bobby“) Gillespie führte und weder ihre Fähigkeiten zeigt, noch sonderlich Beachtung fand.

Der Aufstieg von Ebba von Sydow begann parallel zu ihrem Jurastudium in Stockholm, denn 2001 begann sie für Sveriges Radio als Musikredakteurin zu arbeiten, arbeitete für die Abendzeitung Expressen, wo sie bald die Chefredaktion für die Freitagsbeilage bekam und 2005 wurde von Sydow bei der Zeitschrirft Veckorevyn, die sich an junge Frauen richtet, die jüngste Chefredakteurin der Geschichte Schwedens.

Da Ebba von Sydow sich auch als Person medienträchtig verkaufen konnte, wurde die Journalistin 2005 von Damernas Värld zum weiblichen Vorbild des Jahres gewählt, nahm nach Aftonbladet Patz 28 der mächtigsten Frauen Schwedens ein und ein Jahr später war von Sydow nach der Kulturzeitschrift Bon die viertmächtigste Frau innerhalb der schwedischen Medienwelt.

Mit diesem Hintergrund veröffentlichte Ebba von Sydow im Jahr 2006 ihr Buch Ebbas stil, ein Modebuch für junge Frauen, die bereit sind in ihre Erscheinung und ihr Auftreten zu investieren. Das Buch suggeriert den Leserinnen durch die richtige Kleiderwahl, die richtige Schminke und die richtige Handtasche den Hollywoodgrößen zu gleichen und dem Erfolg ein Stück näher zu kommen. Von Sydow bietet einen Traum, der vor allem dazu dient sich selbst bekannter zu machen und wird durch die Arbeit, bei der Journalistin und Schriftstellerin verschwimmen, eine Modeikone, die die Technik benutzt von sich selbst zu schreiben und damit andere zu beeinflussen, was ein sehr typisches Zeichen der modernen Trendbücher jeder Art ist.

Nach einer literarischen Schreibpause und einem Kurs für Schriftsteller an der Volkshochschule erscheint dann 2011 das nächste Buch von Ebba von Sydow, das den Titel trägt Kungligt snygg : mäktiga modedrottningar och stilsäkra prinsessor. Erneut greift hier von Sydow in ihre Zeit als Journalistin zurück und beschreibt den Stilwandel in königlichen Häusern, wobei sie die meist jungen Leserinnen davon träumen lässt durch Kleidung zu einer Königin zu werden, auch wenn sie dabei teilweise bis Grace Kelly und Farah Diba zurückgreift um ihr Buch zu füllen. Das Werk drückt sich weniger durch seine schriftstellerische Leistung aus, als vielmehr die Aussage, dass Kleidung Macht verleiht. Der aufmerksame Leser entdeckt dabei natürlich, dass die Autorin auch mit diesem Buch eigentlich eine Schicht anspricht, die sich nie Gedanken über Geld machen musste und außer Geld auch über entsprechende Beziehungen verfügt.

Eine Überraschung wird dann 2012 das Buch Sommar med systrarna von Sydow, bei dem auch die Schwester Amy und der Fotograf Tomas Yeh mitwirken, denn es handelt sich um ein Kochbuch mit Ideen zu jeder Art von Sommerfesten für Jung und Alt. Obwohl der Inhalt kaum etwas Neues auf diesem Gebiet zu bieten hat, da man das Gefühl bekommt, dass von Sydow sich hier mehr als Sammlerin von Ideen als als kreative Journalisten und Schriftstellerin zeigt, so findet man hier Luxus mit teilweise sehr praktischem Sommeressen verknüpft, der den Eindruck vermitteln soll, dass man einen Sommer mit den Schwestern von Sydow, ihren Freundinnen und deren Kinder verbringt.

Ebba von Sydow gehört zu den modernen Schriftstellern Schwedens, die vielleicht nie in die Literaturgeschichte des Landes eingehen werden, obwohl sie tausende von jungen Frauen beeinflusst und einen eigenen Schreibstil benutzt, der sehr deutlich den Trend des gegenwärtigen Jahrhunderts ausdrückt, einer Zeit in der die Sprache an Bedeutung verliert und die Lektüre von Büchern durch das Verfolgen von Blogs und kurzen journalistischen Artikeln ersetzt wird, zwei Bereichen in denen Ebba von Sydow brilliert. Die Schriftstellerin leitet damit neue literarische Wege ein, die zu einem Amalgam zwischen Bekenntnisromanen, schriftstellerischen Zusammenfassungen und praktischen Ratschlägen zum Erfolg und Glück sind.

Copyright: Herbert Kårlin

16 februari 2013

Oscar Patric Sturzen-Becker, ein literarischer Revolutionär

Oscar Patric Sturzen-Becker (ursprünglich Sturzenbecher) wurde am 28. November 1811 als Sohn des Verwaltungsangestellten Patrik Sturzenbecher und dessen Frau Judith Maria Bachér in Stockholm geboren und starb am 16. Februar 1869 in Helsingborg. Sturzen-Becker war in erster Ehe mit Charlotta Matilda Burman verheiratet und in zweiter Ehe mit Karolina Vilhelmina Fåhraeus.

Über die Kindheit und die Jugend von Oscar Patric Sturzen-Becker ist nahezu nichts bekannt, außer dass er in Stockholm aufwuchs und nach der Hochschulreife im Jahre 1827 an der Universität Uppsala Sprachwissenschaft und moderne Literatur studierte. Das Studium schloss Sturzen-Becker 1833 mit einer Promotion ab. Anschließend kehrte der Schriftsteller nach Stockholm zurück, wo er anfangs die Beamtenlaufbahn einschlug, jedoch gleichzeitig als Literat zu arbeiten begann.


Dass Oscar Patric Sturzen-Becker an eine literarische Karriere dachte, lag allerdings nicht nur an seiner Studienwahl und seinem Abschluss, sondern auch daran, dass er 1832 für sein Gedicht Veidi Alf den zweiten Preis der Svenska Akademien errungen hatte und sich dadurch mit den besten Voraussetzungen ans Schreiben machte.

Nur zwei Jahre später begann Oscar Patric Sturzen-Becker die literarische Zeitung Arlekin herauszugeben, die allerdings nur sehr kurze Zeit überlebte, da der Schriftsteller einen Arbeitsplatz beim Aftonbladet bekam, eine Stelle, die er neun Jahre lang behielt. Für seine Veröffentlichungen griff Sturzen-Becker jedoch zum Pseudonym Orvar Odd, unter dem er letztendlich weitaus bekannter wurde als mit seinem wahren Namen.

In den Jahren 1838 und 1839 machte Oscar Patric Sturzen-Becker mehrere Reisen durch Deutschland und Frankreich, die 1842 zu seiner Reiseschilderungen En utflygt ur boet führte, ein Zeitdokument, das noch heute seine Bedeutung behalten hat und die beiden Ländern mit den Augen eines ausländischen Poeten zeigen.

Vor allem seine Arbeit als Journalist machte Oscar Patric Sturzen-Becker zu einer kritischen Person seiner Zeit, wobei nach seinen Ideen Russland der größte Feind des Landes war und Schweden die Politik Dänemark und Preußens stützen sollte. Während seine Ideen in der Presse noch eine Diskussion erweckten, so brachte die Einbettung dieser Ideen in seiner Gedichtsammlung Min fattiga sångmö ein völlig anderes Resultat, denn kaum ein Schriftsteller seiner Zeit erhielt eine so niederschlagende Kritik für eine Gedichtsammlung wie Sturzen-Becker.

Da die politischen Ideen des Schriftstellers und Journalisten immer mehr von jenen der herrschenden Schicht Schwedens abwichen, was dem Autor auch einige Probleme einbrachte, waren die Kritiken seines Min fattiga sångmö nur noch der kulminierende Punkt und der Schriftsteller entschloss sich nach Kopenhagen auszuwandern, von wo aus er weiterhin für das Aftonbladet arbeitete, aber auch für mehrere dänische Zeitungen zu schreiben begann, die von seiner antirussischen Einstellung besonders beeindruckt waren und einen Ausländer gerne über die auch in Dänemark umstrittene Politik schreiben ließen.

Als Oscar Patric Sturzen-Becker im Jahre 1847 nach Schweden zurückkehrt und sich in Helsingborg niederlässt, folgt er weiterhin seiner politischen Linie und propagiert bei all seinen Werken den neuen Skandinavismus, der sich insbesondere in seinen kürzeren satirischen Prosastücken deutlich ausdrückt. Um seiner Meinung jedoch noch besser Ausdruck verleihen zu können, gründet Sturzen-Becker nun auch die Zeitung Öresunds-Posten, die allerdings wegen seinen zur damaligen Zeit extremen, wenn auch sehr modernen, Ideen nicht sehr lange existiert, da er nicht genügend Leser finden kann.

Oscar Patric Sturzen-Becker zeigt sich bis zu seinem Lebensende ungemein produktiv und gewann in diesen Jahren die Achtung zahlreicher einflussreicher Personen, was sich auch darin zeigt, dass noch zu seiner Lebenszeit seine gesammelten Werke in sechs Bänden erschienen, die auch Zeugen davon sind wie vielfältig der Autor arbeitete, denn seine Texte gehen von der Lyrik über Feuilletons und Prosastücke bis zu politischen und literaturhistorischen Abhandlungen

Innerhalb der schwedischen Literaturgeschichte nehmen indes die Gedichte des Schriftstellers eine besondere Rolle ein, da er hier eine gerade Linie geht und seine politischen und sozialen Ideen nur streift. Als Höhepunkt seines Schaffens betrachtet man dabei die beiden Werke Stycken i små ramar und Brunt och rosenrött, die er erst in den 60er Jahren in Helsingborg verfasste.

Copyright: Herbert Kårlin

15 februari 2013

Fredrik August Dahlgren, der Forscher der schwedischen Sprache

Fredrik August Dahlgren wurde am 20. September 1816 als Sohn des Grubenverwalters und Gutsbesitzers Bartold Dahlgren und dessen Ehefrau Anna Karolina Svensson in Nordmark im Värmland geboren und starb am 16. Februar 1895 in Djursholm bei Stockholm. Dahlgren war mit Ulrika Magdalena von Heland verheiratet.

Die Kindheit verbrachte Fredrik August Dahlgren in einem Gut in dem immer reges Leben herrschte, nicht zuletzt auch, weil außer den zahlreichen Geschwistern auch die Nachbarn mit ihrer Kinderschar dort verkehrte. Die Schule besuchte Dahlgren in Karlstad, wo er auch die Hochschulreife ablegte bevor er sich an der Universitä Uppsala einschrieb und unter Per Daniel Amadeus Atterbom Literaturwissenschaft studierte. Statt jedoch nach seiner Disputation im Jahre 1839, wie geplant, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, wählte Dahlgren die Laufbahn eines Staatsdieners.


Während seiner Arbeit im Reichsarchiv beschäftigte sich Fredrik August Dahlgren vor allem mit geschichtlichen Abhandlungen des Landes und war in den Anfangsjahren verantwortlich für die Herausgabe von Handschriften. Diese Tätigkeit, die ihn faszinierte, brachte ihm einen guten Einblick in die Geschichte Schwedens, was auch einen bedeutenden Einfluss auf seine Werke ausübte.

Außer seinen beiden wissenschaftlichen Werken an der Universität Uppsala und einem Aufsatz mit dem Thema Det yngsta Sverige, hat Fredrik August Dahlgren relativ wenige Werke unter seinem Namen veröffentlicht und ist damit einer der bedeutendsten schwedischen unpersönlichen Autoren, der mehr als Herausgeber, Übersetzer und Lektor arbeitete, aber in diesem Rahmen eine maßgebliche Arbeit innerhalb der schwedischen Literatur leistete für die sich vor allem die Svenska Akademien interessierte.

Als Fredrik August Dahlgren im Jahre 1866 seine Anteckningar om Stockholms theatrar veröffentlichte, so umfasste dieses Werk nicht nur ein Verzeichnis aller Theaterstücke, die das Königliche Theater zwischen 1737 und 1863 aufführte, sondern man findet auch die Interpretationen Dahlgrens zu den Schauspielen. Als Übersetzer hatte der Schriftsteller dabei unter anderem Pedro Calderón de la Barcas Lifvet en dröm und William Shakespeares Romeo och Julia auf die schwedische Bühne gebracht und damit der Theaterkunst Schwedens neue Wege gewiesen.

Als Schriftsteller als solches trat Fredrik August Dahlgren vor allem mit dem Lustspiel Wermlänningarne im Jahre 1846 und mit seinen Viser på varmlanske tongmåle im Jahre 1875 hervor, wobei sein Theaterstück Wermlänningarne bis Mitte des 20. Jahrhunderts regelmäßig neu aufgelegt wurde und als Bestseller zu bezeichnen ist, auch wenn das Werk heute nahezu vergessen scheint. Der Erfolg des Stückes lag allerdings nicht an seiner Einmaligkeit, denn die Idee nimmt Dahlgren sehr deutlich von „Romeo und Julia“, aber er stellt die Handlung in das Bergwerkmilieu des Värmlands und gibt ihm daher eine völlig andere Aussage, ähnlich dem Werk „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Gottfried Keller, der ebenfalls das Thema Shakespeares als Basis hatte.

Welche Bedeutung Fredrik August Dahlgren für die schwedische Literaturgeschichte spielt, sieht man auch an seinem Werk Glossarium öfver föråldrade ord, das er bereits während seiner Pension zusammenstellte, aber das jedoch erst rund zehn Jahre nach seinem Tode erschien. Dahlgren lieferte hier ein Handbuch der vergangenen Sprache Schwedens, das die Grundlage für das Standardwerk der Svenska Akademien wurde und dem Leser einen tiefen Einblick in die Entwicklung der schwedischen Sprache bietet. In diesem Rahmen darf man auch nicht vergessen, dass der Schriftsteller die älteren Auflagen der Svenska akademiens ordlista redigierte und damit jedem Schriftsteller des Landes das Handwerkzeug zur korrekten Sprachanwendung bot.

Fredrik August Dahlgren erhielt für seine Leistungen als Dramatiker mehrere Preise der Svenska Akademien und wurde 1871 auch in die Akadamie gewählt, wo er Anders Grafström auf dem Stuhl Nummer 6 folgte.

Auch wenn heute nur noch wenigen Schweden der Name Fredrik August Dahlgren etwas sagt, so gibt es keinen Schweden, der ihn nicht indirekt kennt und kaum ein Besucher des Landes wird nicht indirekt an den Schriftsteller erinnert, denn in seinem Werk Wermlänningarne findet man den Text zu einem der bekanntesten Volkslieder Schwedens, nämlich Ack Värmeland, du sköna, das aus der Feder von Fredrik August Dahlgrens und Anders Fryxells stammt.

Copyright: Herbert Kårlin

14 februari 2013

Sven Lidman, ein Nihilist wird zum Autor von Psalmen

Sven Lidman wurde am 30. Juni 1882 als Sohn des Zöllners Nils Rudolph Lidman und dessen Frau Olga Catharina Elisabeth Wolff in Karlskrona geboren und starb am 14. Februar 1960 in Stockholm. Lidman war in erster Ehe mit Carin Thiel verheiratet und in zweiter Ehe mit Brita Augusta Otterdahl.

Von Karlstad aus zog die Familie sehr früh nach Helsingborg. Als Sven Lidman sieben Jahre alt ist, starb der Vater und die Mutter zog mit ihren beiden Kindern nach Stockholm, so dass Lidman bereits als Kind den sozialen Abstieg erlebte und in ärmlichen Verhältnissen auswachsen musste, auch wenn die Verwandtschaft zur bürgerlichen Gesellschaft gehörte, von der die Witwe allerdings ausgeschlossen war. Nachdem Lidman im Jahre 1900 in Stockholm die Reifeprüfung abgelegt hatte, studierte er an der Universität Uppsala Rechtswissenschaft. Danach begann er eine militärische Laufbahn.


Das erste Werk von Sven Lidman erschien bereits vier Jahre nach seiner Hochschulreife. Es handelte sich dabei um den Gedichtband Pasiphaë och andra dikter, wobei der Hauptteil des Buches von Pasiphaë handelt, der Ehefrau des kretischen Königs Minos. Im modernsten Stil der damaligen Zeit handeln die Gedichte um Pasiphaës Polygamie und ihr obszönes sexuelles Leiden. Von den jüngeren Autoren wurde der Gedichtband als Meisterwerk betrachtet, von der Mehrheit der Kritiker als dekadent abgestuft.

Sein erstes Werk wurde jedoch, auch wegen dem klassischen Stoff, den Sven Lidman benutzte, relativ wenig beachtet, im Gegensatz zu den Folgebänden Primavera, Källorna und Elden och altaret, in denen Lidman zeigt, dass er die moderne Gedichtschreibung nahezu zur Perfektion beherrscht und weiß seinen eigenen Stil zu wahren.

Die bedeutendsten Änderung im Leben von Sven Lidman kam mit seiner ersten Ehe, denn Carin Thiel war die Tochter von Ernest Thiel, dem Gründer der Thielska Gallerie, wodurch Lidman in die bürgerliche Gesellschaft aufgenommen wurde und auch mit dem Verleger Tor Bonnier in Kontakt kam. Dieser gesellschaftliche Aufstieg und der damit auch verbundene Ruhm als Dichter stürzte den Schriftsteller in einen persönlichen Konflikt, da er sich nun in keiner gesellschaftlichen Welt mehr wirklich zu Hause fühlte.

Dieses Dilemma führt jedoch Sven Lidman literarisch zu neuen Höhen, denn 1910 entsteht mit seinem ersten Roman Stensborg ein Meisterwerk der Zeitströmung, das als Hauptthema das Verbrechen, die Strafe und die Versöhnung hat und auf schwedische Weise eine Thema von Fjodor Michailowitsch Dostojewski aufgreift. Diesem ersten Buch folgen vier weitere, die vom Geschlecht Silfverstååhl handeln und eine Familienchronik im Stil von Thomas Mann wird, und die Zeitspanne von den Kriegen unter Napoleon bis zum Ende der Union zwischen Norwegen und Schweden umfasst.

Der Erste Weltkrieg kam für Sven Lidman in einer Phase, in der er nur wenig schrieb, weswegen er auch sofort zugriff, als ihm der Posten eines Redakteurs der Zeitschrift Svensk lösen angeboten wurde. Hier zeigte sich der Autor in voller Linie als konservativer Nationalist, was sich zusätzlich dadurch ausdrückte, dass er in eine beginnende religiöse Phase eintrat und Psalmen zu schreiben begann. Diese persönliche Veränderung wirkte sich auch auf das Familienleben Lidmans stark aus.

Mit der Scheidung von Carin Thiel im Jahre 1917 ändert sich das Leben und Wirken von Sven Lidman dann auf abrupte Weise, denn der Schriftsteller sucht sein Heil nun in der Religion und der katholischen Mystik von Augustinus. Im Jahre 1921 schließt sich Lidman der Pfingstbewegung an und wird als hervorragender Prediger eine der Leitfiguren dieser Freikirche.

Ab 1922 wird Sven Lidman Redakteur der Zeitschrift Evangelii Härold, die die schwedische Pfingsbewegung herausgibt und seine nächsten Bücher werden zu moralischen Predigten mit einer Art christlicher Lebensphilosophie. Durch seine persönlichen Erfahrungen und seine Arbeit als Schriftsteller kommt es dabei jedoch immer wieder zu einer Konfrontation mit der Freikirche, was letztendlich dazu führt, dass Lidman 1948 von der religiösen Bewegung ausgeschlossen wird. Es kommt zwar einige Jahre später zu einer Aussöhnung zwischen Sven Lidman und Lewi Pethrus, dem Führer der schwedischen Pfingstbewegung, aber die Kluft bleibt zu groß als dass der Autor zur Freikirche zurückfinden könnte.

Zwischen 1952 und 1957 erscheinen dann die vier autobiographischen Romane von Sven Lidman, die mit Gossen i grottan eingeleitet werden und mit Vällust och vedergälling enden und, wenn auch von einer sehr persönlichen Warte, das Leben des Schriftstellers schildern. Diese vier Bücher gehören vermutlich zu den ehrlichsten des Schriftstellers, da er in eine Phase eingetreten ist in der er auf niemanden und nichts mehr Rücksicht nehmen muss, in der er jedoch alle Höhen und Tiefen bereits erlebt hat.

Neben seinen literarischen Werken hat Sven Lidman der Nachwelt noch 30 Bände an Tagebüchern mit insgesamt über 6000 Seiten hinterlassen, die einen Einblick in die Gedankengänge und die Entwicklung des Schriftstellers zeigen und dem Leser sein Verhältnis zu seiner Umwelt näher bringt. Bedauerlicherweise sind diese Tagebücher nie in Buchform erschienen.

Copyright: Herbert Kårlin