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23 maj 2013

Pär Lagerkvist und ein Leben ohne Gott

Pär Lagerkvist wurde am 23. Mai 1891 als Sohn des Eisenbahnvorarbeiters Anders Johan Lagerquist und dessen Frau Johanna Blad in Växjö geboren und starb am 11. Juli 1974 in Danderyd. Lagerkvist war in erster Ehe mit der Dänin Karen Dagmar Johanne Sørensen verheiratet und in zweiter Ehe mit der Lehrerin Elin (Elaine) Luella Hallberg.

Die Kindheit von Pär Lagerkvist war von einem konservativ religiösen Elternhaus geprägt in dem es außer der Bibel und den Psalmbüchern keine Literatur gab, da diese Bücher alle Weisheiten bereits enthielten. Da der spätere Schriftsteller der Jüngste unter den sieben Geschwistern waren, war er der einzige unter ihnen denen die Eltern eine Ausbildung finanzieren konnten. Lagerkvist machte daher 1910 in Växjö die Hochschulreife und schrieb sich ein Jahr später an der Universität in Uppsala für Kunstgeschichte ein, ohne jedoch das Studium je zu Ende zu machen. Seine Jugend beschreibt der Schriftsteller später in seinem autobiographischen Werk Gäst hos verkligheten.

Pär Lagerkvist, Gäst hos verkligheten, Albert Bonnier Förlag (Serie Delfin), Stockholm, Originalausgabe 1925

Bereits am Gymnasium in Växjö machte Pär Lagerkvist die Bekanntschaft des Sozialismus und des Darwinismus, was sehr schnell dazu führte, dass er die religiöse  Lehre seiner Eltern ablehnte und Religion als Unterdrückung empfand, die die Angst vor dem freien Leben schürt. In diesen Jahren entwickelte sich Lagerkvist auch zu einem Revolutionär, der nicht mehr ohne rotes Tuch um den Hals zu sehen war und ab 1912 revolutionäre Gedichte zu veröffentlichen begann.

Schon als Jugendlicher hatte sich Pär Lagerkvist dafür entschieden Schriftsteller zu werden, was jedoch ein langer Weg werden sollte, da ihn seine Eltern nicht unterstützen konnten. Nach der Hochschulreife lebte Lagerkvist vor allem von seinem Bruder, der als Lehrer ein regelmäßiges Einkommen hatte und an die Zukunft seines Bruders als Schriftsteller glaubte. Über eine längere Epoche hinweg wohnte der Autor nahezu ausschließlich bei seinem Bruder in Vittinge.

Außer einer kurzen Anstellung als Theaterkritiker beim Svenska Dagbladet hatte Pär Lagerkvist nie ein regelmäßiges Einkommen oder eine Anstellung und nahezu zwanzig Jahre lang war es ihm nahezu unmöglich vom Schreiben zu leben, denn seine ersten Bücher waren keinerlei Verkaufserfolg. Erst während der 30er Jahre, als Lagerkvist seine zweite Ehe eingegangen war, begann sich das Blatt für den Schriftsteller zu wenden und insbesondere sein Roman Bödeln kam in mehreren kurz aufeinander folgenden Auflagen heraus. Auch wenn Lagerkvist nun halbwegs vom Schreiben leben konnte, so erschien selbst sein Roman Dvärgen in erster Auflage gerade einmal mit 7000 Exemplaren, was kaum mit dem Erfolg eines Vilhelm Moberg zu vergleichen war, der um diese Zeit sein Hauptwerk über die schwedischen Auswanderer ebenfalls noch nicht geschrieben hatte.

Auch wenn Pär Lagerkvist die Religion hinter sich gelassen hatte, so zeigte er sein Leben lang ein großes Interesse an biblischen und mythologischen Erzählungen, was sich auf seine gesamte Produktion auswirkte. Im Gegensatz zu religiösen Autoren setzt der Schriftsteller jedoch den Menschen in Situationen, die kein Gott mehr steuert und die Existenz des Menschen unter der Philosophie von C. G. Jung betrachtet wird und sozialistische Theorien die Umstände regeln.

Der literarische Aufstieg von Pär Lagerkvist nahm mit der Machtübernahme Hitlers, dem Jahr als Lagerkvist seinen Roman Bödeln veröffentlichte, einen starken Rückschlag, denn das nationalistische Schweden der Zeit steht mehrheitlich auf Hitlers Seiten und Lagerkvists antifaschistischer Kampf lässt den Autor nahezu als Feind des Landes erscheinen, was auch dazu führt, dass die Studenten des Landes verhindern, dass der Schriftsteller den Fröding-Preis erhält.

Auch wenn Pär Lagerkvist bereits 1940 in die Svenska Akademien gewählt worden war, wo er nach Verner von Heidenstam auf dem Stuhl Nummer 8 Platz nahm, kam seine Anerkennung als Schriftsteller erst mit Barabbas im Jahr 1950, als Lagerkvist nahezu 60 Jahre alt war. In Barabbas zeigt Lagerkvist das Leben ohne Gott in seiner letzten Konsequenz. Das Werk hinterlässt in Schweden einen so starken Eindruck, dass es innerhalb von zwölf Jahren zweimal verfilmt wird.

Seinem Meisterwerk Barabbas verdankte Pär Lagerkvist letztendlich auch den Nobelpreis in Literatur, was dem Autor endgültig eine internationale Anerkennung bringt. Auch in Schweden hat man mittlerweile die Tiefe seiner Werke verstanden und der Nationalismus Schwedens der 30er Jahre war mittlerweile auf dem Weg in das Sozialstaatdenken.

Die Werke von Pär Lagerkvist können als zeitlos betrachtet werden, da er die Themen, die er aus dem Zeitgeschehen nimmt so verarbeitet, dass sie allgemeingültig werden, denn die Gruben in Barabbas erinnern an die Konzentrationslager oder Guantanamo, das Dilemma der Kernphysiker in De vises sten bleibt bis heute unbeantwortet und das Böse, das der Schriftsteller in seinen Werken behandelt ist ohnehin zeitlos.

Copyright: Herbert Kårlin

15 april 2013

Tomas Tranströmer und die Renaissance der klassischen Versform

Tomas Tranströmer wurde am 15. April 1931 als Sohn des Redakteurs Gösta Tranströmer und dessen Frau, der Lehrerin Helmy Westerberg, in Stockholm geboren. Tranströmer ist seit 1958 mit Monica Bladh verheiratet. Seit einem Schlaganfall im November 1990 ist die rechte Seite des Dichters erlahmt und er tritt nur noch selten in der Öffentlichkeit auf.

Nachdem sich die Eltern noch trennten als Tomas Tranströmer ein Kind war, hat er seinen Vater nur selten gesehen und wurde allein von der Mutter erzogen, die Lehrerin auf Östermalm war. Die Sommer verbrachte Tranströmer regelmäßig auf den Schären vor Stockholm, was ihn sein Leben lang prägte und in zahlreichen seiner Gedichte seinen Ausdruck findet.

Tomas Tranströmer, Minnena ser mig,Albert Bonniers Förlag, Titel: Jan Biberg

Nachdem Tomas Tranströmer im Jahre 1950 seine Hochschulreife am Södra Latins Gymnasium gemacht hatte, begann er an der Universität Stockholm Literaturgeschichte, Poesie, Religionsgeschichte und Psychologie zu studieren, ein Studium, das er 1956 mit einem Kandidatenexamen in Philosophie und 1957 mit dem Berufsexamen eines Psychologen abschloss. Anschließend arbeitete Tranströmer erst am Psychotechnischen Institut in Stockholm, wurde 1960 Gefängnispsychologe und Kurator der Jugendstrafanstalt in Roxtuna und arbeitete ab 1980 in Västerås, der Stadt, in der sich die Familie Tranströmer für 35 Jahre niederließ.

Seine ersten Werke veröffentlichte Tomas Tranströmer in verschiedenen Zeitschriften. Der unmittelbare Erfolg als Dichter kam dann jedoch im Jahre 1954 mit seinem ersten Gedichtband 17 dikter, einem Buch, das zwar sehr bescheiden wirkte, aber nahezu unmittelbar als eines der größten lyrischen Werke der Zeit gelobt wurde, da Tranströmer bereits in diesem ersten Band Gedichte bot, die sein Interesse für die Natur und die Musik zeigen und seine typische leicht mystische Bildsprache benutzte, die man auch in allen seinen folgenden lyrischen Werken finden sollte.

Lyrik hatte in den 50er Jahren in Schweden eine Art Renaissance, so dass auch die Gedichte von Tomas Tranströmer sofort mit großem Interesse aufgenommen wurden. Da der Dichter auch den gebundenen Vers wieder in die Dichtkunst einführte, was eine bedeutende Veränderung der Lyrik der Epoche war, gilt Tranströmer, neben Lars Forsell und Östen Sjöstrand, zu einem der bedeutendsten Repräsentanten der Poeten der 50er Jahre.

Die Dichtung von Tomas Tranströmer ist oft mit persönlichen Erinnerungen verbunden, wobei er das antike Versmaß nutzt um nicht nur seine Gefühl zur Natur auszudrücken, sondern auch um den Gedichten einen religiösen Charakter zu verleihen, der dem Einzelwesen einen Weg durch das Labyrinth des Lebens bietet um in einer höheren Sphäre sein Glück zu finden. Tranströmer arbeitet mit Bildern und Visionen, die man nur bei sehr wenigen schwedischen Lyrikern findet.

Auch wenn man bei Tomas Tranströmer eine Entwicklung der Dichtkunst vermisst, die für moderne Lyriker sehr wichtig scheint, so zeigen seine Gedichte einen gleichmäßigen Strom und verleihen ihm eine Sonderstellung innerhalb der schwedischen Literaturgeschichte, da dies als Zeichen dafür gewertet wird, dass der Dichter seinen literarischen Höhepunkt bereits mit deinem ersten Gedichtband erreicht hatte.

Sehr viele Gedichte von Tomas Tranströmer wurden vertont, was jedoch nicht nur damit zusammenhängt, dass seine Werke oft auf Musik anspielen, der Dichter selbst ein guter Pianist ist und er bereits in den 70er und 80er Jahren bei öffentlichen Lesungen zeigte, dass seine Gedichte eine Musikalität enthalten, sondern auch, weil seine Gedichte zeigen, dass seine Werke bereits zur Musik und als Musik geschrieben wurden noch bevor die Noten dazu geschrieben waren.

Erst nach seinem Schlaganfall findet man eine gewisse Veränderung in der Dichtkunst von Tomas Tranströmer, denn er geht von langen Gedichten auf Gedichte über, die den japanischen Haikku gleichen und in aller Kürze die gleichen Themen behandeln, die Tranströmer sein Leben lang verfolgten und die von einer Religiosität begleitet ist, die jener von Birgitta Trotzig nahe kommt. Der Dichter zeigt nun, dass er auch in sehr kurzer Form komplexe Bilder mit einer tiefen Aussage schreiben kann.

Tomas Tranströmer, der sich auch als Übersetzer einiger der bedeutendsten Dichter anderer Länder einen Namen machte, erhielt im Jahre 2011 den Nobelpreis für Literatur, eine Auszeichnung, für die er bereits mehrmals nominiert war und der die Krönung seiner Leistung wurde. Die Werke Tranströmers wurden bisher in rund 60 Sprachen übersetzt und werden nahezu weltweit mit der gleichen Faszination gelesen.

Copyright: Herbert Kårlin

Göteborger Flugschau 2013

8 april 2013

Erik Axel Karlfeldt, der religiöse Dichter des 20. Jahrhunderts

Erik Axel Karlfeldt, geborener Eriksson, wurde am 20. Juli 1864 als Sohn des Landwirts Erik Erikssons und dessen Frau Anna Jansdotter in Karlbo bei Alvesta geboren und starb am 8. April 1931 in Stockholm. Karlfeldt war ab 1916 mit Gerda Ottilia Holmberg verheiratet.

Der zukünftige Skalde Erik Axel Karlfeldt wuchs unter sehr armen Verhältnissen auf, da sein Vater sich das Geld für den Hof nur geliehen hatte, schlecht haushalten konnte und im Laufe der Zeit immer wieder Schuldbriefe und Wechsel im Namen von Verwandten ausstellte, immer in der Hoffnung rechtzeitig bezahlen zu können, was jedoch bei einer Anklage wegen Urkundenfälschung und einer Gefängnisstrafe endete.


Bereits in der Grundschule entdeckte der Propst Åkerblom die Begabung des jungen Erik Axel Karlfeldt, beziehungsweise Eriksson, wie er damals noch hieß, und sorgte dafür, dass Karlfeldt 1878 das Gymnasium in Västerås besuchen konnte, was natürlich auch bedeutete, dass der Schüler nur die Ferien zu Hause verbringen konnte und die Woche über in Västerås wohnte. Bereits im Gymnasium schloss sich Karlfeldt der literarischen Vereinigung der Schule an, wobei er sich auch bereits in dieser Zeit dafür entschied Skalde zu werden.

Noch während seiner Zeit im Gymnasium veröffentlichte Erik Axel Karlfeldt die ersten Gedichte in den verschiedensten Zeitungen, wobei er dabei jedoch zu den Pseudonymen Folkmar Vinge und Frank Vinge griff. Für sein späteres Schaffen bedeutend war in gewisser Weise seine Wanderung durch Dalarna, die er 1882 unternahm, denn bei dieser Wanderung lernte er Anna Bolling kennen in die sich der junge Karlfeldt verliebte und die ihn noch Jahre später zu romantischen Gedichten inspirierte.

Trotz seinem frühen Vorsatz Schriftsteller zu werden, sollte es noch bis 1895 dauern bis Erik Axel Karlfeldt sein erstes Buch Vildmarks- och kärleksvisor veröffentlichte, denn nach der Hochschulreife im Jahre 1885 studierte Karlfeldt erst noch Ästhetik an der Universität in Uppsala, unterbrochen von mehreren Jahren als Privatlehrer, da er das Studium nicht mehr finanzieren konnte.

Dass Erik Axel Karlfeldt seinen Traum des Schreibens nicht ganz aufgegeben hatte, zeigte sich jedoch bereits im Jahre 1888, als er Ernst Beckman, den Chefredakteur des Aftonbladets, anschrieb und um eine Anstellung als Journalist bat. Beckman, der in seiner Jugend selbst Gedichte geschrieben hatte, war von den Werken Karlfeldts begeistert und wollte ihn unterstützen. Aus Eriksson wurde daher 1889 Karlfeldt und die Anstellung verhalf ihm dazu wieder an die Universität Uppsala zurückzukehren und sein Studium abzuschließen um anschließend als Lehrer einer gemischten Privatschule in Djursholm und von 1893 bis 1895 als Lehrer an der Värmlands folkhögskolan zu arbeiten und seinen ersten Gedichtband vorzubereiten.

Der erste Gedichtband von Erik Axel Karlfeldt wurde lediglich von Carl David af Wirsén als vielversprechend gelobt, war jedoch nicht nur ein Verkaufsflop, sondern das Werk eines Amateurs, der sich an keinerlei Versmaß hielt und das Reimen in den Vordergrund stellte ohne jedes Gefühl für Lyrik und Sprache. Karlfeldt verstand seinen Fehler und sollte diesen in seinen fünf folgenden Werken vermeiden.

Mit seinem zweiten Gedichtband Fridolins visor och andra dikter zeigte Erik Axel Karlfeldt eine eigene Seite und präsentierte sich als Bauerndichter, der die Gefühle und das Leben eines Landbewohners hervorhob, einen Zug, den er auch in seinem dritten Werk betonte. Die Themen holte der Lyriker für diese beiden Gedichtbände insbesondere aus seiner Heimat Dalarna.

Beide Bände zeigen literarische Qualitäten, aber Erik Axel Karlfeldt liess sich von der altschwedischen Sprache verführen und die meisten seiner Gedichte erinnern an Lars Wivallius, Georg Stiernhielm, Lasse Lucidor oder auch Carl Michael Bellman. Dass Karlfeldt mit diesen Dalarna-Gedichten Erfolg hatte, lag jedoch nicht nur an seiner Retro-Lyrik, sondern auch daran, dass die Region Dalarna durch Selma Lagerlöf, Carl Larsson und Anders Zorn zu einer Modeerscheinung geworden war und der Lyriker damit in den Zeitstrom geraten war.

Die Persönlichkeit von Erik Axel Karlfeldt entdeckt man erstmals in seiner Lyriksammlung Flora och Bellona aus dem Jahre 1906, denn hier zeigt sich der Dichter als Wortschöpfer und er gibt seinen Gedichten eine Bildform, die dem Leser die Region Dalarna erfühlen lässt.

In seinen letzten beiden Gedichtsammlungen Flora och Pomona und vor allem mit Hösthorn zeigt Erik Axel Karlfeldt seine wahre Größe als Lyriker, da er hier zu seinen Wurzeln zurückkehrt und mit biblischen Bildern arbeitet. Mit diesen Gedichten seiner letzten Schaffensphase trifft er nicht nur die Religiosität des damaligen Schweden, sondern er entwickelt sich auch literarisch gesehen zum bedeutendsten religiösen Dichter seiner Zeit, eine Richtung, die man bereits bei den ersten Gedichten spürte, als sich Karlfeldt jedoch nicht voll dazu bekennen wollte. Hösthorn, das der Lyriker im Jahre 1927 veröffentlichte, gilt für Literaturwissenschaftler als das bedeutendste Werk Karlfeldts, da er hier das Gefühl des Volkes mit seinen einfachen Motiven literarisch ausdrücken kann.

Das Privatleben von Erik Axel Karlfeldt wird von zahlreichen Affären begleitet, die während seiner Zeit als Lehrer beginnen und ihn nahezu bis zum Lebensende begleiten, auch wenn er letztendlich eine seiner Frauen nach dem dritten gemeinsamen Kind heiratet.

Erik Axel Karlfeldt wurde 1904 in die Svenska Akademien gewählt, wo er nach Clas Theodor Odhner auf dem Stuhl Nummer 11 Platz nahm. Ab 1912 wurde er zum ständigen Sekretär der Akademie ernannt und zwischen 1907 und 1931 war er Mitglied des Nobelkomitees. 1931 wurde Karlfeldt posthum der Nobelpreis für Literatur verliehen, eine Regelung, die 1974 abgeschafft wurde. Die Preisverleihung ist etwas umstritten, da Karlfeldt im Jahr der Verleihung noch selbst im Gremium saß, das über den Preisträger entschied.

Copyright: Herbert Kårlin

Göteborg Reiseführer Göteborgs Tanz- und Theaterfestival

12 februari 2013

Harry Martinson, ein Nobelpreisträger begeht Selbstmord

Harry Martinson wurde am 6. Mai 1904 als Sohn des Landhändlers Martin Olofsson und dessen Frau Bengta (Betty) Swensson in Jämshög in Blekinge geboren und starb am 11. Februar 1978 in Stockholm. Martinson war in erster Ehe mit Maria (Moa) Swartz, der Schriftstellerin Moa Martinson, und in zweiter Ehe mit Ingrid Lindcrantz verheiratet.

Die Kindheit von Harry Martinson war durch einen gewalttätigen Alkoholiker als Vater geprägt, der im Jahre 1910, nach einem Gefängnisaufenthalt, an Lungentuberkulose starb. Die Mutter erzog im folgenden Jahr die gemeinsamen sieben Kinder allein, bevor sie dann jedoch ohne ihre Kinder nach Amerika auswanderte. Die Halbschwester der Mutter versuchte kurze Zeit die Familie zusammenzuhalten, was ihr jedoch nicht gelang, so dass Martinson 1912 ins Kinderheim kam. Diese Zeit beschreibt der Schriftsteller in seinen beiden Romanen Nässlorna blomma und Vägen ut.


Wie alle Kinder, die um diese Zeit in diesen Heimen landeten, besuchte Harry Martinson nur die sechsjährige Volksschule um direkt anschliessend alle möglichen Arbeiten zu beginnen. Mit 17 ging der Schriftsteller dann zur See. Auf Grund einer Lungenkrankheit musste Martinson diesen Beruf jedoch bereits 1927 wieder aufgeben und trieb sich einige Zeit als Landstreicher durch Schweden und Norwegen.

Literarisch machte sich Harry Martinson erstmals mit seiner Gedichtsammlung Spökskepp im Jahre 1929 bemerkbar, auch wenn die Gedichte noch sehr wenig von der späteren Kraft des Autors zeigen, da sich diese Gedichte noch zu sehr an Werke von Dan Andersson und Gustaf Fröding anlehnen.

Den folgenden Gedichtband Nomad, der sehr positiv von der Kritik  beurteilt wurde, und seine Reisebücher, die er zu Beginn der 30er Jahre schrieb (Resor utan mål, Kap farväl) sind als Übergang zu einer ausgereiften literarischen Tätigkeit von Harry Martinson zu sehen, wobei insbesondere die Reiseromane eine Art Aufarbeitung seiner Vergangenheit und die Erinnerungen an sein Reisen als Seemann darstellen.

Die Reisebücher mit ihrem abenteuerlichen Hintergrund brachten Harry Martinson eine junge Leserschicht, die ihn geradezu als Vorbild und Ideal sah. Seine folgendenRomane,  Essays, seine Gedichte und andere Werke werden zum Erfolg, auch wenn der Schriftsteller nicht sehr produktiv ist, da er als Arbeiterautor mit Worten und Formulierungen zu kämpfen hat, was er jedoch sehr gut meistert.

Den Höhepunkt erreicht Harry Martinson dann mit seinem Epos Aniara, en revy om människan i tid och rum im Jahre 1956, einem Epos in 103 Gesängen, das später die Grundlage für Erik Lindegrens Oper wird, zu der Karl-Birger Blomdahl die Musik schreibt. Nach dem enormen Erfolg des Buches beginn jedoch der Abstieg des Schriftstellers, denn die Kritik beginnt sich von dem Egozentriker abzuwenden, der mit seiner dunklen Gesellschaftskritik immer deutlicher wird, aber auch eine gewisse Überheblichkeit zu zeigen beginnt, da seine Worte eine immer größere Bedeutung in der Gesellschaft gewinnen. Während ihn ein Teil der Literaten als Genie betrachtet, sehen ihn andere nur als Emporkömmling, der Glück hatte und negative Züge sucht.

Als Harry Martinson dann im Jahre 1974, gemeinsam mit Eyvind Johnson, den Nobelpreis für Literatur bekam, wurde die Kritik sowohl an der Svenska Akademien als auch an Martinson besonders laut, da er bei der Vergabe des Preises bereits Mitglied der Akademie war und im Ausland ein nahezu unbekannter Schriftsteller war. Plötzlich war auch nicht mehr die Leistung des Schriftstellers von Bedeutung, sondern aus Eifersucht versuchten bekannte Literaten und Kritiker den Ruf von Martinson zu zerstören. Obwohl Eyvind Johnson in der gleichen Position wie Martinson war, blieb er von der Verfolgung weitgehend verschont und verkraftete auch die Kritik besser.

Sicher ist, dass Harry Martinson nach seinem Epos Aniara nur noch sehr wenig geschrieben hat und nach der Vergabe des Nobelpreises erschienen nur noch zwei Werke posthum, was man auf die verschiedenst Weise deuten kann, denn bewiesen ist, dass vor allem seine Gedichte ab Ende der 50er Jahre eine Schwermut des Autors zeigen, der sein Leben lang um eine Anerkennung durch Gesellschaft gekämpft hatte. Die Kritik nach dem Nobelpreis hatte ihn jedoch vollkommen zerstört, was letztendlich dazu führte, dass Martinson 1978 im Karolinska Krankenhaus in Stockholm mit einer Schere Seppuku beging. Lars Gyllensten versucht in seinen Memoiren die letzte Phase des Schriftstellers zu erklären.

Harry Martinson wurde 1949 in die Svenska Akademien aufgenommen, wo er nach Elin Wägner auf dem Stuhl Nummer 15 Platz nahm. Im Jahre 1954 wurde er zum Ehrendoktor in Philosophie an der Universität Göteborg ernannt. Er erhielt im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen. Die Kritik an ihm wurde jedoch bis heute nicht ganz zu den Akten gelegt, was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass Martinson in die Epoche des literarischen Umbruchs der 60er Jahre geriet, einen Umbruch in dem das Epos Aniara als unverständlich betrachtet wurde.

Copyright: Herbert Kårlin

20 november 2012

Selma Lagerlöf, christliche Literatur und Frauenbewegung

Selma Lagerlöf wurde am 20. November 1858 auf Mårbacka in Östra Ämtervik, Värmland, als Tochter des Leutnants Gustaf Lagerlöf und seiner Frau Lovisa Wallroth geboren. Die Schriftstellerin starb am 16. März 1940 im Alter von 81 Jahren im gleichen Ort, auch wenn sie zwischenzeitlich viele Jahre in Falun lebte.

Bereits bei Geburt hatte Selma Lagerlöf einen Hüftschaden, der unter Umständen dazu führte, dass sie mit dreieinhalb Jahren vorübergehend auf beiden Beinen gelähmt war und sich nie so frei bewegen konnte wie andere Kinder. Wie um diese Zeit üblich im bürgerlichen Milieu, besuchte die Schriftstellerin keine öffentliche Schule, sondern hatte Privatlehrer, die nach Mårbacka kamen und Selma, außer dem üblichen Stoff, auch Englisch und Französisch beibrachten.


Nach eigenen Erzählungen wollte Selma Lagerlöf bereits mit sieben Jahren Schriftstellerin werden, auch wenn sie in dieser Zeit zwar viel las, aber von ihr selbst keine literarischen Anfangswerke vorhanden sind. Als Selmas Vater im Jahre 1868 schwer krank wurde, bat sie Gott ihm das Leben zu lassen und las zu diesem Zweck die gesamte Bibel, was später mehrere ihrer Werke stark beeinflusste. Der Vater wurde gesund und lebte weitere 17 Jahre.

Mit Zwölf begann Selma Lagerlöf ernsthaft Gedichte zu schreiben, wobei sie dabei zur klassischen Versform griff. Erst als ihre Wohltäterin Sophie Adlersparre sie dazu anregte in Prosa zu schreiben und die klassische Schreibart zu verlassen, begann sich Selma von der Lyrik zur Prosa zu bewegen.

Im Jahre 1882 entschied sich Selma Lagerlöf, entgegen der Meinung des Vaters, für ein Lehrerstudium in Stockholm, das sie drei Jahre später mit Erfolg beendete. In dieser Zeit ging es finanziell für die Familie Lagerlöf abwärts und das Gut Mårbacka musste verkauft werden. Selma Lagerlöf begann daher nach dem Studium in der Grundschule in Landskrona zu arbeiten, wo sie bis 1895 blieb.

Nachdem Selma Lagerlöf bei einem literarischen Preisausschreiben der Zeitschrift Idun gewonnen hatte, begann sie ernsthaft zu schreiben, was 1891 zur Veröffentlichung der Gösta Berlings saga führte, einer Beschreibung des Värmlands des 19. Jahrhunderts. Um genügend Zeit für das Buch zu finden, erhielt die Schriftstellerin ein Stipendium von Sophie Adlersparre. Das Buch wurde wegen seinem sachlichen Stil allerdings mit wenig Begeisterung von der Kritik aufgenommen, auch wenn es heute als Meisterwerk der Weltliteratur betrachtet wird.

Ab 1895 widmete sich Selma Lagerlöf ganz der Schriftstellerei und 1897 zog sie mit ihrer Tante Kajsa Lovisa Lagerlöf nach Falun um ihrer Schwester Gerda näher zu sein. In dieser Epoche begann die Schriftstellerin auch mehrere Reisen in Begleitung ihrer Freundin Sophie Elkan durch Europa zu machen, die sie 1900 selbst bis in den Mittleren Osten führten. Die Eindrücke, die Selma während der Reise sammelte, führten zu ihrem Roman Jerusalem.

Im Jahre 1906 wollte Selma Lagerlöf dann ein Geografiebuch über Schweden schreiben, das im Unterricht verwendet werden konnte. Leider vergass sie dabei die Region Halland, was dazu führte, dass Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige nur Belletristik wurde und nicht als Schulbuch anerkannt werden konnte. 

Nach mehrmaliger Nominierung erhielt Selma Lagerlöf im Jahre 1909 als erste Frau Schwedens den Nobelpreis der Literatur. Die Preissumme half ihr dann das geliebte Mårbacka wieder zu erwerben, ohne jedoch dort wieder permanent einzuziehen. 1914 wurde die Schriftstellerin dann auch auf den Stuhl Nummer Sieben der Svenska Akademien gewählt wo sie Albert Theodor Gellerstedt folgte. Auch hier war Selma Lagerlöf wieder die erste Frau, der diese Ehre zuteil wurde.

Selma Lagerlöf hatte jedoch nicht nur als Schriftstellerin eine große Bedeutung, sondern sie engagierte sich in der Lokalpolitik, setzte sich für das Wahlrecht der Frauen ein, war Mitgründerin der Volkspartei und half der Jüdin Nelly Sachs 1940 bei der Flucht nach Schweden. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg hatte sich Lagerlöf, obwohl sie eine Fürsprecherin der Rassenbiologie war, gegen die Judenverfolgung in Deutschland ausgesprochen, was ihre Bücher dort auf die Schwarze Liste brachte. Die Ursache für den Widerstand der Judenverfolgung ist allerdings in ihrem intimen Verhältnis zu Sophie Elkan zu suchen, die ebenfalls jüdischer Herkunft war.

Der sehr intime Briefwechsel Selma Lagerlöfs mit Sophie Elkan und Valborg Olander, die beide Frauenrechtlerinnen waren, zeigt ziemlich deutlich, dass Selma Lagerlöf lesbische Neigungen hatte, die jedoch nie an die Öffentlichkeit gerieten, was von der heutigen Warte aus sehr positiv zu betrachten ist, da Homosexualität in Schweden um diese Zeit noch eine Straftat war. Bei einem offenen oder auch indirekten Bekenntnis zur Homosexualität hätte Selma Lagerlöf weder den Nobelpreis erhalten, noch wäre sie in die Svenska Akademien aufgenommen worden, sondern ihr gesamtes Leben und Schaffen wäre dadurch in andere Bahnen geraten.

Selma Lagerlöf, die bereits zu Lebenszeiten weltberühmt geworden war, starb am 16. März 1940 an einer Lungenentzündung und einer Gehirnblutung, nachdem sie bereits eine Woche lang bewusstlos im Bett gelegen hatte. Nils Holgerssons Reise wurde mittlerweile in 60 Sprachen übersetzt und die Gösta Berlings saga in knapp 50 Sprachen.

Copyright: Herbert Kårlin