30 december 2012

Sara Lidman, ein literarischer Kampf gegen den Kolonialismus

Sara Lidman wurde am 30. Dezember 1923 als Tochter von kleineren Landwirten in Missenträsk bei Jörn in Västerbotten geboren und starb am 17. Juni 2004 in Umeå, nachdem sie nach sehr vielen Auslandsaufenthalten bereits 1975 zurück nach Västerbotten gekehrt war.

In ihrem Heimatdorf ging Sara Lidman sechs Jahre in die Volksschule bevor sie wegen ihrer Tuberkulose ins Sanatorium nach Hällnäs kam, das für viele der Warteraum des Todes war. Für die 14-jährige Sara war das Sanatorium jedoch die Entdeckung einer neuen Welt, denn hier lernte sie die um vier Jahre ältere Dichterin Martina Nilsson kennen und hier hatte sie einen Zugang zu Büchern, Bildung und intellektuellen Gesprächen, die die Basis für ihr späteres Schaffen waren. Die Schriftstellerin selbst bezeichnete das Sanatorium später als die Hochschule für Kinder der nordschwedischen Dörfer und Höfe.


Die gesundheitliche Situation zwang Sara Lidman den Realschulabschluss über eine Fernschule zu machen und sich auf die Hochschulreife privat vorzubereiten. Anschließend studierte Lidman an der Universität Uppsala, allerdings immer wieder unterbrochen von Aufenthalten in Sanatorien und kurzzeitigen Anstellungen als Bedienung und einer Ausbildung zur Schauspielerin in Stockholm. In Uppsala trat sie auch dem literarischen Klub bei, wo sie die modernistische Autorin Stina Aronson und den Arbeiterschriftsteller Folke Fridell kennen lernte. Ihr Studium in der philosophischen Fakultät in Uppsala schloss Lidman im Jahre 1949 ab.

Der erste Roman von Sara Lidman erschien 1953 unter dem Titel Tjärdalen, ein Roman in dem sie erstmals das Dorf Ecksträsk verwendet und die gesamte menschliche Problematik eines nordschwedischen Dorfes in die Geschehnisse weniger Tage um Mittsommer verpackt. Das Buch wird von der Kritik und den Lesern unmittelbar als eines der besten Werke der 50er Jahre bezeichnet und macht Sara Lidman nahezu über Nacht in der literarischen Welt Schwedens bekannt. Besonders hervorgehoben wird bei Tjärdalen die Vereinigung von Gesellschaftskritik, ausgewählten Bibeltexten und der Anwendung von Dialek und Lokalausdrücken aus Västerbotten.

An ihren ersten Erfolg Tjärdalen schließen sich 1955 Hjortronlandet, 1958 Regnspiran und 1960 Bära mistel an, die alle in Västerbotten spielen und unmittelbar zum Erfolg werden, obwohl man diese ersten Bücher von Sara Lidman als jemand, der nicht in Västerbotten aufwuchs, durch die Anwendung der zahlreichen dialektalen Ausdrücke, nur etwas stockend lesen kann wenn man auch die Welt der Schriftstellerin und ihr Werk verstehen will.

Als Sara Lidman Ende der 50er Jahre mit Ivar Lo-Johansson zusammenlebte und diesen auch heiraten wollte, was jedoch der Schriftsteller ablehnte, kam Lidman zu ihrem politischen Kampf, der sich von der 68er Bewegung gegen den Krieg in Vietnam bis zum Krieg im Irak durchzog und in Schweden zu einer wichtigen Debatte zum amerikanischen Kolonialismus wurde. Sara Lidman reiste nach Vietnam, nach Südafrika, nach Kenia und verfasste in dieser Zeit mehrere kulturkritische politische Dokumentationen und gehörte damit zu jenen Personen Schwedens, die in den 60er und 70er Jahren die Vorbilder der linken Bewegung des Nordens wurde und einen bedeutenden Einfluss auf die Meinungsbildung hatten.

Als Sara Lidman im Jahre 1975 nach Missenträsk zurückkehrte, begann sie ihr bedeutendstes Werk zu schreiben, das in mehreren Bänden die Ankunft der schwedischen Eisenbahn in Nordschweden behandelt, das letzte große Ereignis, das in ihren Augen die Welt des Nordens zerstörte, da die Kolonisation des nördlichsten Teil Schwedens durch Stockholm nicht nur einen Anschluss an den Süden des Landes brachte, sondern eine gewachsene Kultur zerstörte und den nördlichsten Teil Schwedens zur größten Baustelle Stockholms machte. Sara Lidman lässt den Leser diese Geschichte, die Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte und dann im 20. Jahrhundert mit dem Sieg Stockholms endete, mit den Augen der Befürworter und der Gegner ihrer Heimat sehen und zeigt wie durch diese Entwicklung auch der Zusammenhalt der Dörfer zerbricht und aus Freunden Feinde werden. Auch im Jernbaneeposet, wie diese Romansuite genannt wird, versucht die Schriftstellerin ihre Leser durch die Anwendung des Dialekts die Probleme der nördlichen Dörfer näher zu bringen, eine Methode, die bereits zu Beginn ihrer literarischen Karriere zu gewissen Leseschwierigkeiten ihrer Werke führte. Im Gegensatz zu ihren früheren politischen Kämpfen ist diese Romansuite jedoch nur noch Geschichte, denn die Veränderungen in ihrer Heimat sind beim Schreiben der Romane bereits vollbracht.

Wenn man heute die rund 20 Bücher von Sara Lidman betrachtet, so stellen diese nur einen sehr kleinen Teil ihres Schaffens dar, da sie auch unermüdlich Artikel für die schwedische Presse schrieb und nur einen Teil ihrer Aufzeichnungen und unvollendeten Manuskripte veröffentlichte. Die Schriftstellerin und ihre Erben haben zwischen 1998 und 2004 das gesamte Material Sara Lidmans dem Forschungsarchiv der Universität Umeå geschenkt, wobei dieses Material insgesamt 342 Bände umfasst, wovon es sich bei 122 um verschiedene Manuskripte der Schriftstellerin handelt. Hinzu kommen die Manuskripte, die Sara Lidmans Lebenskamerad Leif Sjöberg, mit Zustimmung der Autorin, der Universität Uppsala vermachte. Das gesamte Material, ausgenommen der persönlichen Briefe Lidmans, stehen der Forschung zur Verfügung. Um die Briefe einsehen zu können, benötigt man jedoch die Genehmigung der Erben.

Copyright: Herbert Kårlin

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