6 mars 2013

Victoria Benedictsson und der Weg der weiblichen Befreiung

Victoria Benedictsson, geborene Bruzelius, wurde am 6. März 1850 als Tochter des Landwirts Ture Bruzelius und dessen Frau Helena Sophia Finérius in Domme bei Trelleborg geboren und nahm sich am 21. Juli 1888 in Kopenhagen im Alter von 38 Jahren das Leben. Benedictsson war mit dem Postmeister Kristian Benedictsson verheiratet.

Die Kindheit verbrachte Victoria Benedictsson auf dem Dorf in dem das einzige Vergnügen ein kleiner Laden war. Die Ehe der Eltern wird als schlecht beschrieben und der Vater hatte keinerlei Fähigkeit mit Geld umzugehen. Diese Zeit beschreibt die Schriftstellerin in ihrem Buch Pengar, wo man auch die frühe Neigung Benedictssons zur Kunst findet, auch wenn das Mädchen damals weniger ans Schreiben als vielmehr ans Malen dachte.


Sehr früh suchte Victoria Benedictsson eine Arbeit als Gouvernante, wobei sie das verdiente Geld für ein Kunststudium in Stockholm anwenden wollte. Als der Vater ihr einen Strich durch die Rechnung machte, sah Benedictsson nur einen Ausweg, nämlich die Ehe, wobei sie hier eine falsche Entscheidung wählte, was ihr auch noch vor der Ehe klar wurde, aber die Verlobung konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Mit 21 Jahren heiratete Victoria Bendictsson daher den Postmeister Christian Benedictsson in Hörby, der seit Jahren im Hause der Eltern verkehrte und nicht nur 28 Jahre älter war als die Schriftstellerin und bereits fünf Kinder hatte, sondern damit auch jede Entscheidungsgewalt über die junge Frau bekam und sehr wenig von den modernen Strömungen und der Befreiung der Frau wissen wollte. Die Folge davon war, dass die Ehe vom ersten Tag an bereits schlecht war.

Der Traum von einer Karriere als Malerin ging mit der Ehe vollständig zu Ende und Victoria Benedictsson wandte sich in ihren freien Stunden der Schriftstellerei zu. Im Jahre 1876 erschienen dann in der Sydsvenska dagbladet Snällposten ihre ersten Novellen unter dem Pseudonym Ivar Tardif, denn ihren wahren Namen zu benutzen war undenkbar, da ihr Ehemann ihr sonst auch dieses Vergnügen genommen hätte. Auch die folgenden Veröffentlichungen in anderen Zeitungen und Zeitschriften erschienen ausschließlich unter dem Namen Ivar Tardif.

Als Victoria Benedictsson ab Ende 1881 wegen einem Knieschaden eine längere Zeit ans Bett gefesselt war, fand sie mehr Zeit für ihre literarische Karriere und bereits 1884 erschien ihr erster Roman unter dem Titel Från Skåne, dem ein Jahr später das autobiografische Werk Pengar folgte. Für die Veröffentlichung dieser Bücher änderte sie ihr Pseudonym in Ernst Ahlgren. Da Benedictson in dieser Zeit jedoch auch Kontakte zu anderen Schriftstellern aufbaute, war in literarischen Kreisen bald bekannt wer sich hinter dem Pseudonym Ahlgren verbarg.

Bedeutend für Victoria Benedictsson war im Jahre 1984 das Zusammentreffen mit dem Schriftsteller Axel Lundegård, dem verlorenen Sohn des Priesters in Hörby, dem Ort, in dem sich auch Benedictsson eingesperrt fühlte. Bei einem Aufenthalt im folgenden Jahr in Stockholm kam die Schriftstellerin über Lundegård in Kontakt mit der jungen literarischen Schicht der schwedischen Hauptstadt. Eine engere Verbindung entstand dort vor allem mit Gustav und Karl af Geijerstam, mit Sophie Adlersparre und Ellen Key, die sie alle auf ihrem Weg unterstützten, sowohl in persönlicher als auch in literarischer Hinsicht.

Die Probleme begannen für Victoria Benedictsson mit ihrem Aufenthalt in Kopenhagen, wo sie Georg Brandes kennen lernte, den bedeutendsten Literaturkritiker dieser Zeit, in den sie sich verliebte, obwohl dieser verheiratet war und neben der Ehe bereits zahlreiche allgemein bekannte Affären hatte. Noch unglücklicher war vielleicht, dass Edvard Brandes, der Bruder des berühmten Kritikers, ihr neues Buch Fru Marianne, eines der Hauptwerke, im Politiken als banalen Frauenroman abtat, der über keinerlei Tiefe verfügt. Benedictsson konnte hier nur die Kritik sehen und die Hoffnungslosigkeit als Frau literarisch wirklich anerkannt zu werden. Auf jeden Fall beging die Schriftstellerin wenig später Selbstmord in Kopenhagen ohne ihr Handlung zu erklären. Dieser Selbstmord gab August Strindberg die Idee für das Ende seines Stückes Fröken Julie.

Seit dem Tod von Victoria Benedictsson versuchen die verschiedensten Personen ihre Tat zu verstehen und zu erklären. Die erste, die sich damit beschäftigte und eine Biografie über die Schriftstellerin verfasste, war Ellen Key, die die Tat im Charakter von Benedictsson suchte und der Unterdrückung der Frau in jener Zeit die Hauptschuld gab. Andere behaupten, dass Benedictsson unter Schizophrenie litt, dass sie damit die unglückliche Liebe zu Brandes beenden wollte und die Schriftstellerin Birgitta Holm schreibt noch 2007, dass der Selbstmord die Folge eines inzestuösen Übergriffs in ihrer Kindheit sein kann. Niemand kennt jedoch die wahren Gründe, da auch die Tagebücher der Autorin viele Fragen aus ihrem Leben und vor allem ihrem Freitod offen lassen.

Die Bedeutung von Victoria Benedictsson als Schriftstellerin liegt nicht in der ausgereiften Sprache, die sie verwendet, sondern darin, dass sie eine der bedeutendsten Autorinnen ist, die die Gesellschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt und die Zeit beleuchtet als die Frauenbewegung in Schweden in größerem Masse einsetzte. Benedictsson beschränkt sich dabei jedoch nicht auf die Rolle der Frau, sondern sie beschreibt auch das Verhältnis, das um diese Zeit in den ländlichen Gebieten Schwedens existierte, als eine Frau noch weniger frei war als ein Kind.

Copyright: Herbert Kårlin

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