2 januari 2013

Jonas Hassen Khemiri und das multikulturelle Schweden

Jonas Hassen Khemiri wurde am 27. Dezember 1978 in Stockholm geboren. Sein Vater kommt aus Tunesien, seine Mutter aus Schweden, eine Mischung, die dem Schriftsteller einen Blick auf zwei Seiten des Lebens in Schweden gleichzeitig bietet und sein literarisches Schaffen prägt.

Auch wenn Jonas Hassen Khemiri relativ wenig von seiner Kindheit und seiner Jugend spricht, so findet man seine Denkweise in seinen Büchern, die sicher in vielen Punkten auf seine eigenen Erlebnisse und die seiner Freunde aufbaut. Khemiri wuchs in Stockholm auf, besuchte das Gymnasium Södra Latin, eine Schule der Mittelklasse, und studierte anschließend Literaturwissenschaft und Internationale Ökonomie in Stockholm und Paris. Sein Praktikum machte Khemiri im Sicherheitsrat der UN in New York.


Zurück in Schweden begann Jonas Hassen Khemiri allerdings keine Karriere in der Wirtschaft, sondern er schrieb das Buch Ett öga rött (Das Kamel ohne Höcker), das im Jahre 2003 beim Verlag Norstedts erschien und dem jungen Autor unmittelbar einen Platz in der literarischen Welt Schwedens bot, da Khemiri in der Lage war ein neues Gesicht Stockholms zu zeigen, das man nicht sehen, sondern nur fühlen kann. Ett öga rött erreichte sensationelle Verkaufsziffern, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und wenig später auch verfilmt, was bei einem Erstlingswerk nur extrem selten ist.

Der Erfolg des Buches Ett öga rött liegt jedoch darin, dass alle Ereignisse nur im Kopf der Hauptperson Halim geschehen und Jonas Hassen Khemiri dem Leser nur eine Welt der Träume und der Gedanken bietet, die bisweilen von einem Thema zum anderen schweifen und eine reiche Gefühlswelt ausdrücken. Halim lebt in einer Welt, deren Werte nicht zu greifen sind und zwischen der modernen schwedischen Kultur und dem Fundamentalismus des Islam liegen.

Jonas Hassen Khemiri verstärkt diesen Eindruck des Zerrissenen indem der teilweise gebrochenes Schwedisch benutzt und Stil und Grammatik ein eigenes Leben verleiht, das eine Gesellschaft Schwedens zeigt, die für die Jugend der verschiedenen Städte des Landes Alltag ist, aber der Mehrheit der Bürger verschlossen und unverständlich bleibt.

Die folgenden Romane von Jonas Hassen Khemiri behalten ihr Niveau und bringen dem Schriftsteller internationale Anerkennung, wobei die Welt seiner Werke weiterhin in Stockholm konzentriert ist, was insbesondere der Roman Jag ringer mina bröder ausdrückt, der 2012 erschien und auf das Attentat in Stockholm im Jahre 2010 anspielt, das in jedem, der nicht „schwedisch weiß“ aussieht, eine unbegründete Kollektivangst entstehen lässt, die dazu führt, dass die Hauptperson Amor Kontakt mit seinen Brüdern sucht, Brüdern, die nicht mit ihm verwandt sind, aber ihn verstehen und seine Angst teilen. Das Hauptthema ist auch hier die Frage nach einer übergreifenden Moral, die sich durch die Fragen ausdrückt „Was denke ich eigentlich?“ und „Was denken die anderen eigentlich?“.

Ab 2006 konzentriert sich Jonas Hassen Khemiri auch auf das Schreiben von Theaterstücken, wobei sein erstes Stück Invasion!, eine Suche nach einer Identität der Hauptfigur Abulkasem, am 10. März 2006 im Stockholmer Theater Premiere hat und so gut besucht ist, dass es bis 2008 auf dem Spielplan bleibt um anschließend auch in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA die Bühne zu erobern. In den USA erhält Khemiri für Invasion! den Village Voice Obie Award, den bedeutendsten Preis für off-Broadway Theaterstücke.

Diesem ersten Theaterstück folgen Fem gånger Gud, Vi som är hundra und Apatiska för nybörjare, die sich alle dem Erfolg seines ersten Werkes anschließen und auf den bedeutendsten Bühnen Schwedens aufgeführt werden. Bereits 2012 ist Khemiri nicht nur ein Begriff für die Leser von zeitnahen Büchern, sondern auch in der Welt des internationalen Theaters ein anerkannter Name.

In nicht einmal zehn Jahren ist es Jonas Hassen Khemiri gelungen zu einem der meist gelesenen Schriftsteller des Landes und einem anerkannter Dramatiker zu werden, der einen Bruch in der Literaturgeschichte Schwedens einleitete, der ebenso bedeutend ist wie jener der ersten Arbeiterliteraten des Landes oder der Beginn der feministischen Literatur, da Khemiri nicht nur die Sprache erneuert, sondern auch den Fokus auf ein multikulturelles Zusammenleben legt, das in ganz Europa zur Normalität wird.

Copyright: Herbert Kårlin

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