24 november 2012

Marit Paulsen, von der Arbeiterliteratur zur Politik

Marit Paulsen, geborene Bjørnerud, kam am 24. November 1939 kurz vor der deutschen Okkupation in Oslo zur Welt. Auch wenn Paulsen nur einen deutschen Großvater hatte und daher offiziell keines der verhassten „Tyskerbarn“ (Deutschkinder") war, so wurde sie dennoch vom damaligen norwegischen Hass gegen jede deutsche Herkunft betroffen, wenn auch in etwas minderem Ausmaß als so manch anderes „Tyskerbarn“, das deutsche Eltern hatte oder wo ein Elternteil deutsch war.

Nach eigenen Erzählungen arbeitete Marit Paulsen bereits als Neunjährige in der Fabrik, heiratete mit 17 und bekam drei Kinder. Bis zu ihrem Umzug nach Schweden zu Beginn der 60er Jahre hatte sie mehrere Arbeiterjobs in Norwegen. In ihrer neuen Heimat begann Paulsen im Smedjebackens Valsverk zu arbeiten bis sie von 1970 bis 1972 eine elementare Ausbildung an der Brunnsviks Volkshochschule machte.


Bereits der erste Roman von Marit Paulsen, der 1972 unter dem Titel Du, männska erschien, erregte bedeutende Aufmerksamkeit. Literarisch gesehen, ist das Buch weniger ein Werk, das durch gute Sprache oder Stilistik überzeugt, sondern eine kritische und persönliche Betrachtung der Industriearbeiter in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Marit Paulson kam mit ihrem Buch zur Hochzeit der Arbeiterliteratur und konnte damit mit ihrem „Rapport“ die gesamte linke Leserschicht gewinnen.

Ihren größten literarischen Erfolg hatte Marit Paulson dann mit ihrem autobiographischen Roman Liten Ida, der 1979 als Buch erschien und zwei Jahre später verfilmt wurde. Auch wenn sich Paulsen hier mehr einer literarischen Schreibweise nähert, ist auch dieses Werk vor allem wegen seiner Tragkraft bekannt geworden, das das Schicksal eines norwegischen Mädchens während der deutschen Okkupation in Norwegen beschreibt. Marit Paulsen sieht sich hier in Form der Hauptfigur des Buches als Opfer eines missglückten Sozialsystems und unbarmherziger Sozialarbeitern.

Bis 1990 schreibt Marit Paulsen insgesamt neun Erfahrungsbücher, die eine 30-jährige persönliche Geschichte Schwedens bieten und damit in gewisser Weise als Zeitdokumente zu sehen sind und Paulsen in ganz Schweden bekannt machen, da die Schriftstellerin immer einen Schwachpunkt oder einen Trend der Gesellschaft findet, den sie bis zum Exzess ausschlachtet.

Bereits in den 80er Jahren entwickelte sich Marit Paulsen zu einer extremen Umwelt- und Europakämpferin und suchte die Nähe politisch einflussreicher Personen, was sich Ende der 80er Jahre dadurch zeigte, dass Familie Andersson-Paulsen beim Schwung von der extrem linken Seite zu den Sozialdemokraten ohne bedeutende Sicherheiten 4,5 Millionen Kronen Unterstützung an Land ziehen konnten, aber anschließend dennoch den Konkurs beantragen musste.

Ab den 90er Jahren entwickelt sich Marit Paulsen zu einer umdiskutierten politischen Autorin, die sich zur Fachfrau für Umweltpolitik und Europapolitik wandelt, wobei Paulsen auch hier weniger auf empirische Kenntnisse und Wissenschaft zurückgreift, sondern auf ihre eigene Meinung und persönliche Einstellung, was sowohl in der Politik als auch der Literatur relativ neu war und ihr einen bedeutenden Einfluss garantierte zumal Paulsen Denkanstöße gab. Für ihren Erfolg wird nun aus der Sozialdemokratin eine Verfechterin der Volkspartei, was sich auch sehr deutlich in ihren folgenden teils sehr provokativen Büchern ausdrückt.

Bücher wie En liten bok om euron des Jahres 2003 oder Lurad av laxen : sant & falsk om maten des Jahres 2009 sind, vielleicht dank der nichtakademischen Ausbildung von Marit Paulsen, leicht lesbar und überzeugend, auch wen sie eine Mischung aus persönlichen Meinungen sind, die sie mit ausgewählten Fakten stützt. Auch hier ist ihr Erfolg weniger  die Sachlichkeit und das Wissen zum Thema, sondern ihre Eigenschaft Schwachstellen der politischen Debatte zu finden und selbst Forscher zum Zweifeln zu bringen. Ihre Überzeugungskraft liegt darin, dass sie selbst an ihre Theorien glaubt und sie überzeugend vermitteln kann. Dass sie dabei eigene Begriffe schafft und Theorien, die kaum einer der Leser wirklich nachvollziehen oder verfolgen kann, stützen noch den Erfolg.

Wer Marit Paulsens Bücher liest, darf keine grundlegende Wahrheit suchen oder stilistische und literarische Feinheiten, sondern den Ansatz zu einer anderen Denkweise, zu einer Literatur der Provokation, die jedoch Tausende von Schweden als endgültige Wahrheit nehmen, denn Paulsen ist in der Lage Meinung zu machen, da sie ihre eigene Meinung mit einfachen Worten und selbst erklärten Theorien so klar darstellen kann, dass viele Schweden ihre Bücher als Bibel nehmen, da sie dann selbst nicht mehr nachdenken müssen, sondern einfache Antworten auf ihre Fragen finden.

Copyright: Herbert Kårlin

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