26 oktober 2012

Karin Boye und die Zerbrechlichkeit einer Schriftstellerin

Karin Boye wurde am 26. Oktober 1900 als Tochter des Ingenieurs Carl Fredrik Boye und Signe Liljestrand in Göteborg geboren und starb am 23. oder 24. April 1941 durch Selbstmord in Alingsås. Die ersten neun Jahre verbrachte die Schriftstellerin und Poetin in Göteborg, anschließend zog die Familie nach Stockholm und ab 1915 wohnte sie fünfköpfige Familie schließlich in Huddinge.

Als die Familie nach Huddinge zog, begann Karin Boye zu schreiben und zu malen, wobei sie bei der Malerei vor allem zu mythischen Figuren neigte. Literarisch versuchte sich Karin an Lyrik, Novellen und Theaterstücken. Nach ihrer Hochschulreife im Jahre 1920 legte sie bereits ein Jahr später auch die Prüfung als Volksschullehrerin ab, ohne jedoch diesen Beruf auszuüben, denn sie setzte ihr Studium an der Universität Uppsala mit nordischen Sprachen, Griechisch und Literaturwissenschaft fort. 1926 wechselte die Schriftstellerin die Hochschule um in Stockholm Geschichte zu studieren. 1928 verließ sie die Universität, da sie dem hohen Stress nicht gewachsen war. Über die näheren Ursachen sprach Karin Boye jedoch nie. Eine der Ursachen suchte man in der lesbischen Neigung, die die Autorin sehr früh entdeckte, aber zu bekämpfen versuchte, da sie, sehr bürgerlich erzogen, ein „normales“ Leben führen wollte.


Karin Boyes Karriere als Lyrikerin begann gleichzeitig mit ihrem Studium in Uppsala und der Veröffentlichung ihrer Gedichtsammlung Moln (Wolken). Der Stil der Gedichte war den Formen der isländischen Sagen angepasst und der Inhalt sprach die damalige Jugend Schwedens an, denn Boyes Gedichte zeigten den Zweifel an Gott, die Zweifel an der Zukunft und wie wenig das Leben Idealen folgte. Das Werk ist eine Mischung aus traditionellen Ideen und dem Umbruch, den die schwedische Gesellschaft während dieser Epoche erlebte.

1927 wurde Karin Boye Mitglied der sozialistischen Zeitschrift Clarté, wenig später gründete sie, gemeinsam mit Josef Riwkin, Erik Mesterton, Gunnar Ekelöf und anderen die Zeitschrift Spektrum und 1931 wurde die Schriftstellerin in den Samfundet De Nio gewählt.

Trotz ihrer lesbischen Neigung hatte Karin Boye bereits 1928 Leif Björk geheiratet, was sie immens unter Druck setzte und sich erst löste als die Schriftstellerin 1932 für ein Jahr in das zu jener Zeit weitaus offenere Berlin kam und entdeckte, dass die Homosexualität auch normal sein kann. Sie löste daher die Ehe auf und begann anschliessend weitaus freier zu schreiben, ohne den gesellschaftlichen Druck in gleicher Weise zu spüren wie vrher. Zurück in Schweden lud sie die deutsche Jüdin Margot Hanel ein mit der sie in Berlin ein Verhältnis begonnen hatte. Margot blieb bis zum Tod der Schriftstellerin an ihrer Seite, was einen gewissen Skandal verursachte, zumal Homosexualität um dieses Zeit in Schweden noch unter Strafe stand.

Karin Boye gehört, neben Pär Lagerkvist und Birger Sjöberg zu den sogenannten Erneuerern der schwedischen Literatur, die stark von der Psychologie Freuds beeinflusst waren und Gefühlen eine wichtige Rolle gegeben haben.

Auch wenn Karin Boye heute vor allem für ihre Gedichte bekannt ist, allen voran Ja, visst gör det ont när knoppar brister, so schrieb sie auch zahlreiche Essays und Romane, wobei zwei davon autobiographischen Züge tragen und ein Schlüssel zu ihr sind: Kris und Kallocain.

Über den Tod von Karin Boye haben sich viele Schriftsteller Gedanken gemacht, da man die Motive nicht sehen konnte. Die Schriftstellerin hatte in Alingsås ihre Jugendfreundin Anita Nathorst besucht, die an Krebs erkrankt war und kurz vor ihrem Tod stand. Karin Boye pflegte die Kranke und verbrachte daher viel Zeit mit ihr und dem Tod an ihrer Seite. Am 23. April 1941 verließ sie das Haus der Freundin, ging auf eine Anhöhe von Alingsås und nahm eine Überdosis an Schlaftabletten. Als sie am nächsten Tag gefunden wurde, war sie bereits tot. Die Lebensgefährtin Margot Hanel war nicht mit in Alingsås, beging jedoch nur einen Monat später ebenfalls Selbstmord.

Sehr vieles um den Tod von Karin Boye und ihr Verhältnis zu Frauen wird für immer verborgen bleiben, da die Mutter der Schriftstellerin nach dem Tod ihrer Tochter und jener von Margot Hanel den gesamten Schriftwechsel der beiden Frauen verbrannte, inklusive der Gedichte, die Karin für ihre Lebensgefährtin geschrieben hatte.

Karin Boyes Prosa wurde und wird, im Gegensatz zu den Gedichten und den Essays, oft als abstrakt und unrealistisch empfunden, da die Autorin keine realistischen Personen benutzte, sondern ihnen die Eigenschaften von mehreren Personen gleichzeitig gab um dadurch die Gesellschaft auszudrücken und nicht eine bestimmte Person, eine Technik, die sicher den Zugang zu den Romanen etwas erschwert, aber Karin Boye am deutlichsten beschreibt, denn sie lebte nahezu ihr ganzen Leben in mehreren Welten gleichzeitig, da sie nur in wenigen intimen Momenten sie selbst sein konnte und immer auf der Wacht vor der teils anonymen Gesellschaft sein musste.

Copyright: Herbert Kårlin

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