11 april 2013

Ester Blenda Nordström und der schwedische Enthüllungsroman

Ester Blenda Nordström wurde am 31. März 1891 als Tochter des Malermeisters Daniel Johan Nordström und dessen Frau Charlotta (Lotten) Wilhelmina Jansson in Stockholm geboren und starb nach einer über zehnjährigen Krankheit am 15. Oktober 1948 ebenfalls in der schwedischen Hauptstadt. Nordström war zwischen 1925 und 1930 mit dem Forschungsreisenden René Edmond Malaise verheiratet. Die kurze Ehe endete mit der Scheidung.

Die Kindheit verbrachte Ester Blenda Nordström abwechseln in Stockholm und auf dem Gut der Eltern im Småland. Da Nordström sich selbst in der Kindheit als extrem aufsässig und unruhig beschreibt, wurde die spätere Schriftstellerin von den Eltern auch ein Jahr lang bei einem Priester im Småland untergebracht, in der Hoffnung, dass sie dort ihren wilden Charakter verlieren würde.

Ester Blenda Nordström, En piga bland pigor, Bakhåll

Nach der Hochschulreife an der Wallinska Skolan in Stockholm begann Ester Blenda Nordström unter dem Pseudonym Bansai erst beim Stockholms Dagblad zu arbeiten, wechselte anschließend zu den Dagens Nyheter und arbeitete schließlich von 1911 bis 1917 für das Svenska Dagbladet.

Der Durchbruch kam für Ester Blenda Nordström bereits im Jahre 1914, als sie die erste Sozialreportage im Stil von Günter Wallraff für das Svenska Dagbladet schrieb. Nordström ließ sich mit falscher Identität als Dienstmädchen bei einem Landwirt anstellen und berichtete in neun Teilen über die Probleme, denen Dienstmädchen auf dem Land damals ausgeliefert waren. Diese Artikel machten die Autorin über Nacht in ganz Schweden bekannt und aus den Artikeln wurde der erste schwedische Enthüllungsroman, der in 13 Auflagen verlegt wurde und 1924 auch als Film in die Kinos kam.

In den folgenden Jahren setzte Ester Blenda Nordström diese Art der Reportagen fort, wobei ihr Stil eine Mischung aus beobachtendem Journalismus und Literatur war. Die ersten Reportagen erschienen zuerst in der Tageszeitung und anschließend als Buch. Ab 1918 wirkte Nordström jedoch überwiegend als Schriftstellerin und der Journalismus kam erst an zweiter Stelle.

Die Bücher von Ester Blenda Nordström zeigten die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Probleme dieser Zeit auf, denn 1914 veröffentlichte sie På långfärd med motorcykel, einen persönlichen Erlebnisbericht und 1916 erschien ihr Werk Kåtornas folk, das eine kurze Epoche beschreibt als sie als Nomadenlehrerin in Lappland arbeitete.

Die Werke Ester Blenda Nordströms zeigen jedoch nicht nur die negativen Seiten der Gesellschaft, denn nahezu lyrisch beschreibt sie auch die Landschaften in denen ihre Bücher handeln und sie vergisst nie die Glücksmomente, die man selbst in einer absoluten Ausbeutung erlebt und sie beschreibt den Zusammenhalt innerhalb der unterdrückten Gruppe an Arbeitern. Nordström will Missstände aufdecken indem sie zur Realität greift ohne die negative Seite zu übertreiben oder über die Maßen hinaus hervorzuheben.

Ester Blenda Nordström, die eine enge Bekannte von Elin Wägner war, beschränkte sich beim Schreiben nicht nur auf Schweden, denn 1922 reiste sie in der „Armenklasse“ in die USA, arbeitet dort als Bedienung und Küchenhilfe und bereist den Kontinent als Hitchhiker. Das Ergebnis war ein Buch, das Amerika nicht nur von einer positiven Warte sieht, denn arme Immigranten wurden bei der Ankunft bereits damals als Dreck behandelt und waren nicht willkommen.

Ihr letztes Reportagebuch Byn i vulkanens skugga schreibt Ester Blenda Nordström im russischen Dorf Kljutchi, wo sie einige Jahre lang mit ihrem Mann lebte. 1929 kehrte Nordström jedoch allein nach Schweden zurück und lässt die Ehe auflösen.

Neben ihren Reportageromanen schrieb Ester Blenda Nordström auch Belleltristik und vor allem Kinderbücher, die in Form der Hauptfigur Ann-Mari Lindelöf lange Zeit vor Astrid Lindgren ein selbstbewusstes, unabhängiges Mädchen mit einem starken Willen zeigten, ein Mädchen, das nicht an die Zukunft in einer Ehe glaubt. Eva von Zweigbergk bezeichnete das Buch En rackarunge, das Nordström bereits 1919 veröffentlichte, als das erste demokratische Mädchenbuch Schwedens, da die Hauptfigur den direkten Weg zur persönlichen Verwirklichung geht und damit die Frau der Zukunft zeigt.

Als Ester Blenda Nordström im Jahre 1936 endgültig nach Stockholm zurückkehrt, hat sie eine Gehirnblutung und ist die restliche Zeit ihres Lebens unfähig ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Über zehn Jahre lang wird sie daher von ihrem Bruder und dessen Familie gepflegt.

Obwohl Ester Blenda Nordström zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine der bekanntesten Frauen und Schriftstellerinnen Schwedens war, war sie bereits die letzten Jahre ihres Lebens nahezu vergessen und findet selbst heute nur noch selten die Beachtung der Literaturwissenschaftler, auch wenn sie den ersten Enthüllungsroman Schwedens schrieb, einen wichtigen Beitrag für die Frauenbefreiung leistete und das selbstständige Mädchen bei Kinderbüchern einführte, das viele Jahre später auch Astrid Lindgren als Inspirationsquelle für Pippi Langstrumpf hatte.

Copyright: Herbert Kårlin

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