3 april 2013

Maria Sandel, die erste Arbeiterschriftstellerin Schwedens

Maria Sandel wurde am 30. April 1870 als Tochter des Knechts Carl Gustaf Sandel und dessen Frau, der Strickerin Maria Charlotta Killander, in Stockholm geboren und starb am 3. April 1927 ebenfalls in der schwedischen Hauptstadt. Sandel war nie verheiratet.

Die Kindheit von Maria Sandel war sehr kurz und die Schulbildung minimal, da sie sehr früh zu arbeiten begann um sich und die Familie über Wasser zu halten. Dank der Arbeiterbibliothek kam Sandel jedoch an Bücher, die sie sehr eifrig las, auch wenn die Bibliothek überwiegend Bücher zum Arbeiterleben, zur Bildung und später der sozialdemokratischen Bewegung und die damalige Frauenliteratur enthielt.


Mit 17 wanderte Maria Sandel in die USA aus, wo sie vier Jahre lang als Hausangestellte arbeitete. Nach diesem Aufenthalt, bei dem sie Englisch gelernt hatte und die Arbeiterbewegung der USA streifen konnte, kehrte Sandel zurück nach Stockholm und arbeitete, wie schon ihre Mutter, als Strickerin, einer Heimarbeit, die schlecht bezahlt war, aber oft die einzige Arbeit war, die man an arme Frauen vergab.

Im Alter von 25 Jahren wurde Maria Sandel taub, wie schon ihre Mutter, und einige Jahre später nahm auch das Sehvermögen immer mehr ab bis sie nur noch schemenhaft sehen konnte. In dieser Zeit öffneten die beiden Frauen einen kleinen Milchhandel, der jedoch auf diese Weise funktionierte, dass Sonderwünsche auf Zettel geschrieben wurden und die Kunden sich im Grunde selbst bedienen mussten.

Da die beiden Handikap Maria Sandel erst mit 25 Jahren trafen, war es ihr bereits vorher gelungen sehr viel zu lesen und außer Englisch auch Französisch und Deutsch zu lernen, was in jener Zeit für Frauen aus ihrer Schicht extrem selten war und einen sehr starken Willen forderte.

Ihre ersten literarischen Arbeiten veröffentlichte Maria Sandel bereits während der Jahre in Amerika in der schwedisch-amerikanischen Zeitschrift Nordstjernan, auch wenn anschließend eine mehrjährige Schreibpause eintrat bis Sandel ab 1899, insbesondere mit der Unterstützung und auf Anregung des SAK (Stockholms allmänna kvinnoklubb) in dem die Autorin seit 1896 Mitglied war, erst in Zeitungen und Zeitschriften wieder zu veröffentlichen begann und schließlich auch Novellen und Romane schrieb.

Die Schriftstellerin Amalia Fahlstedt, eine Vertraute von Ellen Key, riet Maria Sandel von der sozialistischen Kampflyrik, die sie bis dahin veröffentlicht hatte, abzusehen und über das Alltagsleben der Arbeiterfrauen Stockholms zu schreiben, einen Rat, der Sandel letztendlich zur ersten Arbeiterschriftstellerin Schwedens machen sollte, denn statt nur noch für die gewerkschaftlichen Zeitungen wie Morgonbris zu schreiben, begann sie nun an Büchern zu arbeiten.

Als 1908 die Novellensammlung Vid svältgränsen och andra berättelser erschien, in der Maria Sandel die soziale Misere in den Arbeiterquartieren Stockholms schildert und der ein Jahr später der Roman Familjen Vinge. En roman om verkstadsgossar och fabrikflickor folgt, spürt man das Engagement der Schriftstellerin, auch wenn ihr bei den ersten Werken noch die literarische Reife fehlt, die bürgerliche Autorinnen durch ihre Bildung und Erziehung bereits mitbrachten. Die Sprache der Autorin ist einfach und überzeugend und zeigt bereits den Aufbruch in ein höheres literarisches Niveau.

Auch wenn Maria Sandel immer schlechter sah, schrieb sie weiterhin Bücher, die jedoch gegen Ende ihres Lebens einen pessimistischen Zug annahmen. Gleichzeitig wie die Erzählungen zu Einzelschicksalen übergingen, wird ihr Stil und ihre Ausdrucksweise auch den Ansprüchen bürgerlicher Kritiker gerecht. Sandel greift nun auch ganz gezielt zu dialektalen Ausdrücken wenn diese einen tieferen Einblick in das Arbeitermilieu Stockholms bieten. Ihre Bücher Hexdansen aus dem Jahre 1919, Mannen som reste sig, der 1927 erschien und vor allem ihr Werk Droppar i folkhavet von 1924 zeigen ein literarisches Schaffen, das später Moa Martinson und Ivar Lo-Johansson sehr deutlich weiterentwickeln.

Auch wenn die Welt der Arbeiter Stockholms bei Maria Sandel einen positiven und etwas romantisierten Zug trägt, so zeigt sie auch die Schattenseiten dieses Daseins mit alkoholisierten Männern, Frauen, die verprügelt werden und sie spricht über Abtreibung und Homosexualität. In diesem Rahmen schafft sie auch eine starke Frau, die für das Überleben einer Familie kämpft und setzt den Mann an die zweite Position, der der Realität  durch Alkohol zu fliehen versucht.

Auch wenn einige Kritiker die Werke von Maria Sandel als realistisches Zeitbild der Jahrtausendwende Stockholms bezeichnen, so sind ihre Novellen und Romane als Literatur zu betrachten und an sehr vielen Stellen spürt man, dass Sandel die Romane von Charles Dickens kannte und auch die damalige Arbeiterliteratur sehr genau verfolgte. Sandel wollte durch eine auch von der bürgerlichen Welt anerkannten Literatur auf die Situation der Arbeiter aufmerksam machen und machte daher gewisse literarische Zugeständnisse.

Selbst wenn bei Maria Sandel die Arbeiterbewegung und die notwendige Veränderung der Gesellschaft im Zentrum standen, so gehört sie dennoch zu den Feministinnen dieser Epoche im Stil von Ellen Key und spricht vom Recht auf ein erotisches Leben der Frau und fordert mehr Rechte für die Frau, auch in finanziellen Fragen.


Copyright: Herbert Kårlin


Stena Line - Fähre, Urlaub, Reisen & Meer

Inga kommentarer:

Skicka en kommentar